Über vierzig Jahre lang ist Deutschland zwischen 1949 und 1989/90 in zwei Staaten geteilt: die demokratische Bundesrepublik Deutschland im Westen und die kommunistische Diktatur der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Osten. Sie gehören im Ost-West-Konflikt sich feindlich gegenüberstehenden "Blöcken" an. West- und Ostdeutsche leben in politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich grundverschiedenen Systemen. Konkurrenz, Abgrenzung, Annäherung und Verbundenheit der Menschen in Ost und West zueinander kennzeichnen das Verhältnis beider Staaten.
Gründerjahre
Die Zeit zwischen 1949 und 1961 sind Gründerjahre für die Demokratie in Westdeutschland und die kommunistische Diktatur in Ostdeutschland. Im Westen verfolgt Bundeskanzler Konrad Adenauer einen Weg der Westintegration. Ihm gelingt es, die Bundesrepublik politisch, wirtschaftlich und militärisch in den Westen einzugliedern und so nach dem Zweiten Weltkrieg Souveränitätsrechte zurückzugewinnen. Dies ist für Adenauer wichtiger als eine schnelle Herstellung der Deutschen Einheit. Die Bundesrepublik wird NATO-Mitglied, erreicht die Wiederbewaffnung und nimmt als Partner an der wirtschaftlichen Integration Europas Teil. Die Soziale Marktwirtschaft und ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung (“Wirtschaftswunder“) prägen die westdeutsche Gesellschaft.
Im Osten errichtet die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) unter Parteichef Walter Ulbricht eine von der Sowjetunion abhängige kommunistische Diktatur. Ziel des SED-Regimes ist der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mit Zentralplanwirtschaft. Die DDR wird Mitglied der von der Sowjetunion bestimmten Militärallianz Warschauer Pakt sowie des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Das Ministerium für Staatssicherheit sowie die Justiz sichern mit Terror die Macht der SED und unterdrücken Opposition. Jedoch müssen sowjetische Truppen eingreifen, um den Volksaufstand am 17. Juni 1953 gegen die SED-Herrschaft niederzuschlagen. Massenhaft fliehen unzufriedene Ostdeutsche über die offene Grenze in West-Berlin in die Bundesrepublik. Um dies zu beenden, errichtet das SED-Regime am 13. August 1961 die Berliner Mauer – dies ist zugleich ein Höhepunkt des Ost-West-Konflikts. Die Mauer trennt Ost und West jahrzehntelang und wird zum Symbol der deutschen Teilung.
Modernisierung
Die Jahre zwischen 1961 und 1973 sind für West- und Ostdeutschland eine Zeit der Stabilisierung und Modernisierung. In Westdeutschland beendet Bundeskanzler Adenauer sein politisches Werk 1963 mit der deutsch-französischen Aussöhnung. Die Wirtschaft benötigt für weiteres Wachstum ausländische Gastarbeiter. Eine breite Mehrheit der Menschen lebt im Wohlstand, der Konsum, Freizeit und Reisen ermöglicht. Zugleich befindet sich der Westen im politischen und gesellschaftlichen Wandel. Besonders Studenten und Intellektuelle stellen die herrschenden Traditionen und Werte in Staat und Gesellschaft in Frage. In Demonstrationen fordern sie ab Mitte der 1960er Jahre bessere Bildungschancen sowie eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Sie protestieren gegen die Politik der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und den Vietnam-Krieg. Die sozial-liberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt setzt ab 1969 innenpolitische Reformen um und ergänzt außenpolitisch mit ihrer neuen Ostpolitik die Westintegration.
Im Osten stabilisiert sich durch den Mauerbau die Lage. Das SED-Regime unter Walter Ulbricht wagt begrenzte Reformversuche in Planwirtschaft und Gesellschaft. Zugleich baut es seinen Unterdrückungsapparat aus. Das SED-Regime grenzt sich vom Westen ab, verstärkt die deutsch-deutsche Grenze und militarisiert die Gesellschaft. Reformen des Kommunismus wie im „Prager Frühling“ in der Tschechoslowakei 1968 lehnt es hingegen ab. Den Alltag der Menschen bestimmen mangelnde Versorgung mit Waren und Wohnungen sowie fehlende Freiheiten. Erich Honecker löst 1972 Ulbricht als SED-Parteichef ab und verspricht mit der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ den Lebensstandard zu verbessern.
Mit dem Grundlagenvertrag, der 1973 In-Kraft tritt, „normalisieren“ Ost- und Westdeutschland völkerrechtlich ihre Beziehungen.
Krisenmanagement
Die Jahre zwischen 1973 und 1989 sind für beide deutsche Staaten eine Zeit des Krisenmanagements. Die Bundesrepublik befindet sich im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruch. Der erste Ölpreisschock und der Zusammenbruch des internationalen Währungssystems leiten 1973 die Weltwirtschaftskrise ein. Die Arbeitswelt im Westen befindet sich, auch durch weltweite Vernetzungen, im Wandel. Die Arbeitslosigkeit steigt erheblich. Zugleich muss die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt den Terror der linksextremen Roten-Armee-Fraktion bekämpfen. Bürgerbewegungen protestieren in den 1970er und 1980er für mehr Umweltschutz und gegen die Atomenergie. Frauen fordern Gleichberechtigung, die Friedensbewegung lehnt die internationale Aufrüstung im Rahmen des Ost-West-Konfliktes ab. Die Grünen entstehen 1983 als neue politische Partei. Gemeinsam mit Frankreich setzt Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Einheitlich Europäischen Akte 1986 einen weiteren Schritt der europäischen Integration durch.
Im Osten befindet sich die DDR im Niedergang. Das SED-Regime unter Erich Honecker verspricht einen „Konsumsozialismus“ und fördert den Wohnungsbau. Der Alltag der Menschen ist jedoch gezeichnet von Mangelwirtschaft. Auf vielfältigen Wegen bemüht sich das SED-Regime um die Beschaffung von Devisen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern. Die Ausbürgerung des kritischen Sängers Wolf Biermann 1976 empört viele Menschen. Nach Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975 fordern immer mehr Ostdeutsche die Einhaltung von Menschenrechten, Reise- und Informationsfreiheit. Die Zahl der Ausreiseanträge steigt bis Mitte der 1980er Jahre sprunghaft an. Wie in anderen kommunistisch regierten Staaten in Osteuropa, bilden sich auch in der DDR Bürgerrechtsgruppen, die Umweltzerstörungen kritisieren, Militarisierung ablehnen und Freiheiten fordern.
(mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 27.10.2014
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Würz, Markus: Geteiltes Deutschland, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland.html
Zuletzt besucht am: 18.11.2024