Nikita Chruschtschow 1894 - 1971

Nikita Sergejewitsch Chruschtschow ist ein sowjetischer Politiker. Von 1953 bis 1964 ist er Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), von 1958 bis 1964 ist er Regierungschef der UdSSR. Der für seine impulsiven Auftritte bekannte Politiker vollzieht die sogenannte „Entstalinisierung“ in der Sowjetunion. Er propagiert einerseits eine friedliche Koexistenz mit dem Westen, strebt jedoch andererseits durch Aufrüstung und Raketentechnik eine Führungsrolle der UdSSR an. Es kommt in seiner Regierungszeit schließlich 1962 zur Kuba-Krise mit den USA, in der die Welt kurzzeitig am Rande eines Nuklearkrieges steht.

  • 1894

    17. April (nach dem nachrevolutionären Kalender): Nikita Sergejewitsch Chruschtschow wird im russischen Kalinowka als Sohn einer Bauernfamilie geboren.

    Er absolviert eine Lehre als Maschinenschlosser und arbeitet später als Monteur und Mechaniker in Bergwerksbetrieben des Donezgebietes.

  • 1918

    Eintritt in die Kommunistische Partei (KP) und in die Rote Armee, für die er im Bürgerkrieg an der Südfront kämpft.

  • 1921

    Tod seiner Frau Galina Chruschtschowa, mit der er zwei Kinder hat.

  • 1922-1925

    Besuch der Arbeiterfakultät in Charkow, an der er auch aktiv politisch tätig wird.

  • 1924

    Heirat mit Nina Petrowna Kuchartschuk. Das Paar hat zwei Kinder.

  • 1929-1932

    Studium an einer Parteihochschule in Moskau.

  • 1934

    Wahl zum Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU).

  • 1935

    Chruschtschow wird erster Sekretär der Parteikomitees von Stadt und Gebiet Moskau. In diesem Zusammenhang ist Chruschtschow auch für die Städteplanung zuständig.

    Für seine Verdienste beim Bau der Moskauer Untergrundbahn erhält er seinen ersten Lenin-Orden.

  • 1938

    Ernennung zum 1. Parteisekretär der Ukraine.

  • 1939-1964

    Mitglied des Politbüros der KPdSU. Chruschtschow steht politisch fest hinter der Linie Josef Stalins und übersteht sämtliche "Säuberungsaktionen" in der Partei.

  • 1941-1945

    Im Zweiten Weltkrieg leitet Chruschtschow als Politikkommissar bei den Streitkräften u.a. den Abtransport des industriellen und landwirtschaftlichen Maschinenparks der Ukraine und organisiert den ukrainischen Partisanenkampf, ab 1943 im Rang eines Generalleutnants.

  • 1945-1949

    Nach Kriegsende baut Chruschtschow die Kommunistische Partei der Ukraine wieder auf.

    1947 wird er als Parteichef abgelöst, bleibt jedoch Regierungschef der Ukraine.

  • 1949

    Sekretär des ZK der KPdSU in Moskau.

  • 1953

    14. März: Nach dem Tod des sowjetischen Staats- und Parteichefs Josef Stalin am 5. März, wird Chruschtschow unter dem neuen Regierungschef Georgi M. Malenkow (1902-1988) zu einem der vier Sekretäre der KPdSU ernannt.

    13. September: Wahl zum 1. Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU.

  • 1955

    Januar: Chruschtschows kritisiert öffentlich den "Neuen Kurs" Malenkows.

    8. Februar: Auf einer Sitzung des Obersten Sowjet wird ein Brief Malenkows verlesen, in dem dieser Selbstkritik übt und seinen Rücktritt erklärt. Der bisherige Verteidigungsminister Nikolai A. Bulganin (1895-1975) wird zum neuen Regierungschef gewählt.

    Juli: Nach Abschluss der Genfer Gipfelkonferenz, an der er gemeinsam mit Bulganin teilnahm, trifft Parteichef Chruschtschow zu einem zweitägigen Besuch in Ost-Berlin ein. Auf einer Kundgebung verkündet er die sowjetische Zwei-Staaten-Theorie für Deutschland, die von einer Teilung Deutschlands ausgeht. Chruschtschow sagt, dass eine Wiedervereinigung Sache der Deutschen selbst sei und zunächst eine Annäherung der Bundesrepublik und der DDR voraussetze. Eine Beseitigung der sozialen Errungenschaften der DDR komme nicht in Frage.

  • 1956

    25. Februar: Auf einer Geheimsitzung des XX. Parteitages der KPdSU enthüllt Parteichef Chruschtschow die vom ehemaligen Staats- und Parteichef Stalin begangenen Verbrechen und übt vernichtende Kritik an Stalin als Mensch und Staatsmann. Damit beginnen die ersten Ansätze der Entstalinisierung. Seine Angriffe auf den Stalinismus und den Personenkult um Stalin haben weitreichende innenpolitische Folgen, die in diesem Umfang nicht erwünscht sind.

    Infolge der Aufstände in Polen (Juni 1956) und Ungarn (Oktober 1956) kehrt Chruschtschow zu einem harten politischen Kurs zurück.

  • 1957

    Juni/Juli: Nach einem missglückten Versuch, Chruschtschow zu stürzen, werden politische Gegner, wie Molotow und Malenkow sämtlicher Partei- und Regierungsämter enthoben.

    26. Oktober: Auf Anordnung Chruschtschows wird auch der Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg Georgij K. Schukow aus seinen Ämtern entlassen und politisch entmachtet.Chruschtschow hat nun die beherrschende Stellung in der sowjetischen Politik erlangt.

    Sein innenpolitischer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der Landwirtschaft. Die Versuche, die Dezentralisierung der Wirtschaftsorganisationen durchzusetzen, muss er 1962 aus innenpolitischen Gründen wieder revidieren.

  • 1958

    27. März: Bulganin tritt das Amt des Ministerpräsidenten an Chruschtschow ab. Damit sind die höchsten sowjetischen Staats- und Parteiämter wieder in einer Person vereinigt.

    In der Außenpolitik propagiert Chruschtschow die Maxime der "friedlichen Koexistenz" ohne zu größeren Konzessionen bereit zu sein. In der Deutschen Frage zeigt er eine zunehmend harte Haltung, die durch jährliche Besuche in der DDR unterstrichen wird.

    10. November: Auf einer Kundgebung in Moskau fordert Chruschtschow eine Revision des Potsdamer Abkommens und kündigt an, die Sowjetunion werde ihren Teil der Kontrolle über Berlin an die DDR übertragen. Damit löst Chruschtschow die sogenannte Berlin-Krise aus.

    27. November: In Noten an die drei Westmächte, die Bundesrepublik und die DDR fordert Chruschtschow, Berlin binnen sechs Monaten zu entmilitarisieren und als freie Stadt in eine "selbständige politische Einheit" umzuwandeln. Bei Nichterfüllung dieses "Berlin-Ultimatums" würde die Sowjetunion ihre Berlin-Rechte auf die DDR übertragen.

    31. Dezember: In gleichlautenden Noten an die sowjetische Regierung lehnen die USA, Frankreich und Großbritannien Chruschtschows Forderungen mit Bezug auf Berlin vom 27. November ab - die Sowjetunion dürfe nicht einseitig bestehende Verträge aufkündigen.

  • 1959

    19. März: In einer Presseerklärung erkennt Chruschtschow die Berlin-Rechte der früheren westalliierten Besatzungsmächte an und nimmt das Berlin-Ultimatum von 1958 zurück.

    15.-27. September: Auf Einladung von US-Präsident Dwight D. Eisenhower trifft Chruschtschow als erster sowjetischer Regierungschef zu einem Besuch in den USA ein. Nach Begrüßung auf dem Washingtoner Luftwaffenstützpunkt Andrews durch Präsident Eisenhower tritt er eine zweiwöchige Rundreise durch die USA an. Die letzten drei Tage des Besuches sind Gesprächen zwischen Chruschtschow und Eisenhower in der abgeschiedenen Atmosphäre von Camp David/Maryland vorbehalten.

    Das Gipfeltreffen wird als versöhnlicher Schritt gewertet. Chruschtschow propagiert erneut die friedliche Koexistenz von Ost und West. Eine Annäherung in der Berlin- und Deutschlandfrage kann allerdings nicht entwickelt werden.

  • 1960

    1. Mai: Ein US-amerikanisches Aufklärungsflugzeug wird über sowjetischem Territorium abgeschossen. Der Zwischenfall liefert den Beweis für US-Luftspionage.

    Auf der Gipfelkonferenz der vier Großmächte am 16./17. Mai in Paris, greift Chruschtschow die USA wegen des Vorfalls an, was zum Scheitern der Gipfelkonferenz führt: Während die westlichen Regierungschefs den Pariser Gipfel zu retten versuchen, unternimmt Chruschtschow am 17. Mai eine Landpartie durch die Provence.

    14. Oktober: Chruschtschow nimmt an der UN-Vollversammlung teil. Im Verlauf einer stürmischen Debatte um die Entkolonialisierung zerbricht dem Konferenzvorsitzenden der Ordnungshammer. Der sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow nutzt die Gelegenheit, seinem Protest Ausdruck zu verleihen, hämmert mit seinem Schuh auf das Rednerpult und verlässt anschließend die Versammlung.

  • 1961

    3. Juni: Chruschtschow und der amerikanische Präsident John F. Kennedy treffen in Wien zu einem zweitägigen Meinungsaustausch über Abrüstungsfragen und das Berlin-Problem zusammen. Trotz einer betont freundlichen Atmosphäre bleibt das Treffen ergebnislos.

    4. Juni: Chruschtschow überreicht Kennedy in Wien ein Memorandum zur Deutschlandpolitik, das sogenannte Berlin-Memorandum. Darin schlägt er die Umwandlung West-Berlins in eine entmilitarisierte und neutrale Stadt vor und fordert den Abschluss eines Friedensvertrages.

    Das Memorandum wird erst am 11. Juni veröffentlicht. Bundeskanzler Adenauer lehnt eine Entmilitarisierung Berlins ab; auch die drei Westmächte zeigen eine ablehnende Haltung.

    13. August: Bewaffnete Volkspolizisten der DDR riegeln Ost-Berlin gegen West-Berlin ab. Der Mauerbau beginnt.

    In der Folgezeit zeigen sich deutliche Risse im Ostblock, besonders im Verhältnis zu Albanien und der Volksrepublik China, die sich zu einem heftigen ideologischen Konflikt zwischen der chinesischen und der sowjetischen Kommunistischen Partei ausweiten.

  • 1962

    September: Chruschtschow entschließt sich zur offenen Unterstützung Fidel Castros auf Kuba und sagt die Versorgung mit Waffen und militärischen Ausbildern zu. Kurz darauf warnt er die USA vor einem Angriff auf Kuba, da dies den Ausbruch des 3. Weltkrieges zur Folge hätte. Daraufhin ermächtigt der US-amerikanische Senat Präsident Kennedy, "notfalls mit Waffengewalt gegen Versuche vorzugehen, von Kuba aus den Kommunismus auf andere lateinamerikanische Länder zu übertragen". Präsident Kennedy erklärt, dass die USA Kernwaffen einsetzen werden, wenn sie von Kuba aus angegriffen würden oder wenn West-Berlin in Gefahr geriete.

    Oktober: Nachdem Luftaufnahmen die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba bestätigt haben, beginnen die USA mit eine Seeblockade gegen sowjetische Frachter auf Kuba. Der kubanische Staatschef Fidel Castro erklärt die Mobilmachung.

    28. Oktober: Aufgrund des außenpolitischen Drucks ordnet Chruschtschow den Abzug der sowjetischen Angriffswaffen aus Kuba an. Die sogenannte Kuba-Krise ist damit beigelegt.

  • 1963

    Juni: Als Reaktion auf die Kuba-Krise beschließen die USA und die UdSSR die Errichtung einer direkten Fernschreibleitung zwischen den Amtssitzen des US-Präsidenten in Washington und des sowjetischen Staatschef in Moskau. Der sogenannte "heiße Draht" wird am 31.8. von Chruschtschow und Kennedy in Betrieb genommen.

    August: Als weiteres Zeichen einer Verständigung der Großmächte gilt die Vereinbarung zwischen den USA, Großbritannien und der Sowjetunion über eine begrenzte Einstellung der Atomtests, dem sogenannten Atomteststopp-Abkommen, in Moskau.

  • 1964

    14. Oktober: Chruschtschow wird durch das Zentralkomitee der KPdSU vom Amt des Staats- und Parteichefs enthoben. Neuer Regierungschef wird der bisherige Erste stellvertretende Ministerpräsident, Alexej N. Kossygin (1904-1980), neuer Parteichef der bisherige Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjet und einstiger Schützling Chruschtschows, Leonid I. Breschnew (1906-1982).

  • 1966

    Verlust des Sitzes im Zentral-Kommitee, seines letzten ihm verbliebenen Amts.

    Chruschtschow lebt danach zurückgezogen auf einer Datscha bei Moskau.

  • 1971

    Veröffentlichung seiner Memoiren unter dem deutschen Titel "Chruschtschow erinnert sich".

    11. September: Nikita S. Chruschtschow stirbt in Moskau an Herzversagen.

 

(iz/reh) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 04.08.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Haunhorst, Regina/Zündorf, Irmgard: Biografie Nikita Chruschtschow, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/nikita-chruschtschow.html
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