Gregor Gysi geb. 1948

Gregor Gysi ist ein deutscher Jurist und Politiker der Partei DIE LINKE. Als Rechtsanwalt verteidigt das SED-Mitglied in der DDR Regimekritiker und Bürgerrechtler wie Rudolf Bahro, Robert Havemann, Ulrike Poppe und Bärbel Bohley und vertritt die Bürgerbewegung "Neues Forum" (NF). Im Zuge der deutschen Einheit ist Gysi als Partei- und Bundestagsfraktionsvorsitzender maßgeblich an der Integration der sozialistischen PDS in das demokratische Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Von 2005 bis 2015 ist Gysi Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.

  • 1948

    16. Januar: Gregor Gysi wird in Berlin geboren. Er wächst in Ost-Berlin im Stadtteil Johannisthal auf.

    Sein Vater Klaus Gysi wird später Kulturminister, Botschafter und schließlich Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR.

  • 1954-1966

    Besuch der Polytechnischen Oberschule (POS) und ab 1962 der Erweiterten Oberschule (EOS). Schulabschluss mit dem Abitur und Lehrabschluss als Facharbeiter für Rinderzucht.

  • 1962

    Eintritt in die Freie Deutsche Jugend (FDJ).

  • 1963
  • 1966-1970

    Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin.

  • 1967
  • 1970/71

    Assistentenausbildung am Stadtbezirksgericht Berlin-Friedrichshain und im Rechtsanwaltskolleg.

  • ab 1971

    Gysi wird zum Rechtsanwalt zugelassen. Er verteidigt unter anderem die Systemkritiker Rudolf Bahro, Robert Havemann, Ulrike Poppe und Bärbel Bohley.

  • 1976

    Promotion an der Humboldt-Universität zum Dr. jur. mit einer Dissertation über den "sozialistischen Rechtsverwirklichungsprozess".

  • 1988/89

    Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte Berlin und des Rates der Vorsitzenden der Anwaltskollegien der DDR.

  • 1989

    November: Gysi beteiligt sich an der Vorlage eines Gegenentwurfs der Rechtsanwälte zum Reisegesetzentwurf der DDR-Regierung.

    Auf seine Empfehlung wird die Großdemonstration am 4. November in Berlin offiziell angemeldet. Gysi selbst tritt auch als Redner auf und fordert ein neues Wahlrecht sowie ein Verfassungsgericht.

    Dezember: Gysi ist Mitglied des Arbeitsausschusses zur Vorbereitung des außerordentlichen Parteitages der SED und verantwortlich für die Untersuchung von Amtsmissbrauch und Korruption.

  • 1989-1993

    Vorsitzender der SED-PDS, die 1990 in "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS) umbenannt wird.

  • 1989/90

    Vertreter der PDS am Runden Tisch.

  • 1990

    März-Oktober: Abgeordneter der Volkskammer und Vorsitzender der PDS-Fraktion. In dieser Position kritisiert Gysi den Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR und plädiert für eine Vereinigung unter den Bedingungen des Artikels 146 des Grundgesetzes, der eine neue Verfassung für beide Staaten vorsieht.

  • 1990-2002
  • 1990-1998

    Vorsitzender der Abgeordnetengruppe Linke Liste/PDS im Deutschen Bundestag.

  • 1992

    Gysi widerspricht dem Verdacht, inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen zu sein.

    November: Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den PDS-Vorsitz. Sein Nachfolger wird 1993 Lothar Bisky (1941-2013).

  • 1995

    Januar: Zusammen mit Lothar Bisky und Hans Modrow bemüht sich Gysi verstärkt um eine Anerkennung der PDS in den alten Bundesländern.

  • 1996

    Februar: Der Bundestag hebt Gysis Immunität auf. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch im Zusammenhang mit der Besetzung von Räumen der "Unabhängigen Kommission für das DDR-Parteivermögen" in Berlin.

    Im April 1998 wird Gysi für schuldig befunden und zu 8.000 D-Mark Strafzahlung verurteilt.

    Juli: In einem Interview betont Gysi die Bereitschaft der PDS, mit der SPD zusammenzuarbeiten.

  • 1997

    Januar: Gysi scheidet aus dem Vorstand der PDS aus.

    März: Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) legt dem Bundestag eine Stellungnahme vor, in der sie den Schluss zieht, Gysi habe entgegen seinen Behauptungen von 1978 bis 1989 als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet. Gysi weist diese Anschuldigungen entschieden zurück. Der Vorstand der PDS erklärt sich mit ihm solidarisch.

    Veröffentlichung seiner Autobiografie unter dem Titel "Das war's. Noch lange nicht".

  • 1998

    Mai: Der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages stellt fest, dass Gysi für das MfS gearbeitet habe. Die PDS und die FDP stimmen dem Papier nicht zu. Gysi legt erneut Klage gegen die Feststellung ein.

    Die PDS wählt ihn zum Spitzenkandidaten für die Landesliste zur Bundestagswahl.

    September: Gysi zieht als PDS-Fraktionsvorsitzender in den Bundestag ein.

  • 2000

    April: Auf dem Parteitag der PDS in Münster/Westfalen kündigen Parteichef Lothar Bisky und der Bundestagsfraktionsvorsitzende Gysi den Rückzug aus ihren Ämtern an.

    3. Oktober: Gysi zieht sich als Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion zurück.

  • 2001

    Veröffentlichung des Buches "Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn", in dem er sich mit dem deutschen Einigungsprozess und der Berliner Republik befasst.

  • 2002

    17. Januar: Gysi wird zum Berliner Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in einer SPD-PDS-Koalition gewählt.

    1. Februar: Gysi gibt sein Bundestagsmandat ab.

    31. Juli: Rücktritt vom Amt des Wirtschaftssenators und Bürgermeisters wegen seines Fehlverhaltens in der sogenannten Flugmeilen-Affäre. Nachfolger wird der bisherige Chef der Berliner PDS-Fraktion Harald Wolf (geb.1956).

    Gysi arbeitet wieder als Anwalt.

  • 2003

    Veröffentlichung des Buches "Was nun? Über Deutschlands Zustand und meinen eigenen".

  • 2004

    Gysi muss sich einer Herz- und einer Gehirnoperation unterziehen.

  • 2005

    September: Bei der Bundestagswahl 2005 ist er Spitzenkandidat der PDS, die sich in "Die Linkspartei.PDS" umbenennt. Als Wahlbündnis mit der neu gegründeten Partei WASG ("Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit") erzielt sie 8,7 Prozent der Wählerstimmen.

    Gysi wird erster Fraktionsvorsitzender, sein Stellvertreter ist Oskar Lafontaine.

    Dezember: Gysi wird Mitglied der WASG, nachdem Linkspartei und WASG sich auf eine Fusion einigen, wodurch im Juni 2007 die Partei DIE LINKE entsteht.

  • 2008

    Mai: Marianne Birthler, die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, berichtet in einem Interview mit dem ZDF von einer Stasi-Tätigkeit Gregor Gysis.

    Er bestreitet dies und klagt vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen eine Veröffentlichung bestimmter Stasi-Protokolle, aus denen hervorgehen soll, dass Gysi als inoffizieller Mitarbeiter den Wissenschaftler Robert Havemann sowie den Schriftsteller und Maler Thomas Klingenstein bespitzelt und beeinflusst haben soll. Gysi unterliegt mit seiner Klage.

    In einem späteren Prozess vor dem Oberlandesgericht Hamburg am 8. September 2013 wird allerdings entschieden, dass das ZDF Birthlers Äußerungen generell nicht mehr bestätigend verbreiten darf.

  • 2009

    Oktober: Gysi wird nach der Bundestagswahl als alleiniger LINKEN-Fraktionschef bestätigt. Oskar Lafontaine hatte zuvor überraschend auf den Posten verzichtet.

  • 2011

    8. November: Bei der Neuwahl des Vorstands der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE wird der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi mit 81,3 Prozent der Stimmen bestätigt.

  • 2012

    23. Januar: Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" deckt auf, dass 27 der 76 Bundestagsabgeordneten sowie 11 Landtagsabgeordneten der Partei DIE LINKE durch den Verfassungsschutz überwacht werden.

    Neben Politikern und Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Dagmar Enkelmann, Gesine Lötzsch, Petra Pau und Steffen Bockhahn ist auch Gysi betroffen. Die Überwachung wird nicht nur von den LINKEN scharf kritisiert.

  • 2013

    Mai: Gysis Buch "Wie weiter? Nachdenken über Deutschland" erscheint.

    September/Oktober: Auch bei der Bundestagswahl des Jahres 2013 kann Gysi sein Direktmandat für den Bundestag behaupten. Zudem wird er erneut Fraktionsvorsitzender der LINKEN und verhindert Ambitionen von Sahra Wagenknecht auf eine Doppelspitze in der Fraktion. Durch Bildung der Großen Koalition aus CDU und SPD wird Gysi zudem Oppositionsführer.

  • 2014

    12.-13. Mai: Gysi unternimmt einen Russland-Besuch und kommt in Moskau mit dem Duma-Vorsitzenden Naryschkin und dem stellvertretenden Außenminister Wladimir Titow zusammen. Er setzt sich für eine Deeskalation im Ukraine-Konflikt ein, nachdem Russland im Frühjahr die Krim annektiert hat.

  • 2015

    Juni: Auf dem Parteitag der LINKEN kündigt Gysi an, im Oktober nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, um den Vorsitz der Partei "in jüngere Hände zu legen". Sein Bundestagsmandat behält er jedoch.

  • 2016-2019

    Präsident der Europäischen Linken, einem Zusammenschluss linker Parteien auf europäischer Ebene.

  • 2017

    Gysis Autobiografie "Ein Leben ist zu wenig" erscheint.

  • 2020

    Ernennung zum außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

  • 2021

    Bei der Bundestagswahl scheitert die LINKE an der Fünf-Prozent-Hürde. Gysi erringt für seine Partei eins von drei Direktmandaten und sichert der Partei den Einzug in den Bundestag.

  • 2022

    November: Gysi, der weiterhin als Rechtsanwalt tätig ist, verteidigt vor Gericht einen Klimaaktivisten, der an mehreren Straßenblockaden des Bündnisses "Letzte Generation" in Berlin beteiligt war. Die Protestierenden haben sich dabei auf dem Asphalt festgeklebt.

 

(iz/nc/reh/se/idy) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 20.12.2022
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Chmura, Nadine/Dyck, Imke/Eimermacher, Stefanie/Haunhorst, Regina/Zündorf, Irmgard: Biografie Gregor Gysi, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/gregor-gysi.html
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