Kurt Schumacher ist ein SPD-Politiker und einer der Gründungsväter der Bundesrepublik Deutschland. Er beteiligt sich früh am Widerstand gegen das NS-Regime und wird dafür fast zehn Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist er unumstrittene Leitfigur in der SPD und organisiert deren Wiederaufbau in Westdeutschland. Schumacher ist Konrad Adenauers sozialdemokratischer Gegenspieler.
- 1895
13. Oktober: Kurt Schumacher wird in Culm/Westpreußen als viertes Kind und einziger Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren.
- 1914
Schumacher legt nach Kriegsbeginn das Notabitur ab und meldet sich als Kriegsfreiwilliger. Nach kurzem Fronteinsatz in der Infanterie wird er Anfang Dezember bei Lodz schwer verwundet und aus dem Kriegsdienst entlassen. Ihm muss ein Arm amputiert werden.
- 1915-1919
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Halle, Leipzig und Berlin.
- 1918
Eintritt in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und den ihr nahestehenden "Reichsbund der Kriegsbeschädigten".
Mitglied des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates. - 1919
Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Reichsarbeitsministerium.
- 1920
Schumacher wird politischer Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung "Schwäbische Tagwacht" in Stuttgart.
- 1924
Überleitung der Organisation "Schwabenland" in das neu gegründete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Vorsitzender des Ortsvereins Stuttgart des Reichsbanners.
- 1924-1931
Abgeordneter im Württembergischen Landtag. Seit 1928 Mitglied des Fraktionsvorstandes.
- 1926
Nach vergeblichen Bemühungen an der Berliner Universität einen Doktorvater zu finden, promoviert Schumacher in Münster mit dem Thema "Der Kampf um den Staatsgedanken in der deutschen Sozialdemokratie".
- ab 1928
Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Stuttgart.
- 1930-1933
Als einer der jüngsten Abgeordneten der SPD-Fraktion wird Schumacher Mitglied des Deutschen Reichstags. Er ist ein entschiedener Gegner der "Tolerierungspolitik" der SPD-Parteileitung gegenüber der Regierung Brüning.
- 1932
Februar: Schumachers Rede im Reichstag erregt durch die ungewöhnlich scharfe Auseinandersetzung mit der NSDAP starkes Aufsehen: Er bezeichnet unter anderem die nationalsozialistische Agitation als dauernden "Appell an den inneren Schweinehund im Menschen". Unter anderem mit dieser Rede zieht sich Schumacher die Feindschaft der Nationalsozialisten zu, die ihm nach der sogenannten Machtergreifung eine jahrelange Haft in Konzentrationslagern einträgt.
August: Schumacher wird Mitglied des SPD-Fraktionsvorstands im Reichstag.
- 1933
6. Juli: Kurz nach dem Verbot der SPD wird Schumacher verhaftet.
- 1933-1943
Inhaftierung in den Konzentrationslagern Heuberg, Kuhberg, Dachau und Flossenbürg.
Er lehnt jeglichen Kontakt zu Kommunisten ab, weil er die KPD für mitschuldig an der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten hält.
Durch Folterungen geschwächt und infolge der Dunkelhaft im Sehvermögen beeinträchtigt, erzwingt Schumacher durch einen Hungerstreik, dass er nicht mehr im Steinbruch arbeiten muss.
- 1943
16. März: Als Schwerkranker wird Schumacher aus dem Konzentrationslager entlassen. Ihm wird Hannover als Aufenthaltsort zugewiesen, wo er als SPD-Politiker der Weimarer Zeit kaum bekannt ist. Er lebt dort zurückgezogen bei seiner Schwester Lotte.
- 1944
Nach dem Attentat vom 20. Juli wird Schumacher erneut verhaftet und ins Konzentrationslager Neuengamme eingewiesen. Da ihm keine Beteiligung an der Vorbereitung des Attentats nachgewiesen werden kann, wird er kurze Zeit später wieder entlassen.
- 1945
April: Unmittelbar nach dem Einmarsch britischer Truppen beginnt Schumacher mit dem Wiederaufbau der SPD Hannovers.
Mai: Das "Büro Dr. Schumacher" in Hannover wird inoffizielle Parteizentrale der SPD.
Schumacher lernt Annemarie Renger kennen, die seine Sekretärin, Reisebegleiterin, Krankenschwester und bald auch engste Vertraute wird.
14. August: Zulassung der SPD in der britischen Besatzungszone.
20. August: Schumacher beantragt die Neugründung der SPD Hannovers.
5.-7. Oktober: Die sozialdemokratische Funktionärsversammlung in Wennigsen bei Hannover wählt Schumacher zum politischen Beauftragten für die westlichen Besatzungszonen.
- 1945/46
November-April: Schumacher widersetzt sich dem Zusammenschluss von SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
- 1946
10. Mai: Auf dem ersten Nachkriegsparteitag der SPD in Hannover wird Schumacher mit 244 von 245 Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt. Bis zu seinem Tod im Jahre 1952 wird er in diesem Amt immer wieder bestätigt.
Schumacher lehnt jegliche Zusammenarbeit mit der KPD in den Westzonen und der SED in der sowjetischen Besatzungszone ab. Zugleich versucht er die Basis der Partei zu erweitern, um sie für alle demokratischen Kräfte attraktiv zu machen. Er übt scharfe Kritik an der Politik der Besatzungsmächte, die seiner Meinung nach einseitig "Kandidaten der bürgerlichen Parteien für Schlüsselstellungen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung bevorzugen". Das Angebot, Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden lehnt er ab, da er sich nicht regional beschränken will.
August: Schumacher wird zum Vorsitzenden des Zonenbeirats der britischen Besatzungszone gewählt.
November: Englandbesuch Schumachers. Vor Politikern, Regierungsbeamten und Journalisten legt er die schlechte Versorgungslage in Deutschland dar und wirbt für die Freilassung deutscher Kriegsgefangener.
- 1947
April: Vorübergehendes Redeverbot in der französischen Besatzungszone wegen Kritik an den Maßnahmen der Besatzungsbehörden.
Oktober: Schumacher fliegt zu einem Kongress der Delegierten des amerikanischen Gewerkschaftsbundes nach Washington, um für den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands zu werben und Kontakt zu führenden Regierungsbeamten aufzunehmen.
November: Bei einer Rede vor Vertretern der Norwegischen Arbeiterpartei in Oslo stößt vor allem seine strikte Ablehnung des Kommunismus und der Sowjetunion auf Unverständnis.
- 1948
März: Schumacher muss eine erneute Englandreise wegen schwerer Erkrankung abbrechen.
September: Aufgrund einer Thrombose im linken Bein muss sich Schumacher einer Beinamputation unterziehen.
- 1948/49
Bei der Auseinandersetzung um die künftige Struktur der drei westlichen Besatzungszonen fordert Schumacher nach der Devise "So zentralistisch wie nötig, so föderalistisch wie möglich", die Sicherstellung der Rechts- und Wirtschaftseinheit, die Schaffung einer finanziellen Basis für die Erfüllung von Bundesaufgaben und die Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse.
- 1949
23. April: Die westlichen Besatzungsmächte geben Schumachers Forderung nach einem stärker zentralisierten Staatsaufbau nach.
August: Niederlage der SPD bei den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag. Schumacher wird Oppositionsführer.
12. September: Schumacher kandidiert für das Amt des Bundespräsidenten. Bei der Wahl unterliegt er Theodor Heuss (FDP).
- 1949-1952
Als Oppositionsführer im Bundestag ist Schumacher ein erbitterter Gegner der Politik Konrad Adenauers, vor allem bezüglich der Politik gegenüber den Westalliierten. Als Adenauer sich entschließt, das Petersberger Abkommen zu unterzeichnen, erhebt Schumacher gegen ihn den Vorwurf, "Kanzler der Alliierten" zu sein.
In der folgenden Zeit lehnt die von Schumacher geführte SPD auch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Europarat, zur Montanunion und zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) ab.
Einen politischer Erfolg erringt er in der Frage der Mitbestimmung, die zumindest für den Montanbereich durchgesetzt werden kann.
- 1952
Schumacher formuliert das Vorwort zum Aktionsprogramm der SPD, das auf dem Parteitag in Dortmund am 24. September beschlossen wird. Darin betont er: "Nur ein Deutschland, getragen von einem staatsbürgerlichen Bewusstsein und sozialer Gerechtigkeit, kann erfolgreich in der Abwehr totalitärer Tendenzen sein."
20. August: Kurt Schumacher stirbt in Bonn. Nach den Trauerfeierlichkeiten in Bonn, wird er in Hannover beigesetzt.
(db/iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 07.03.2016
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Blume, Dorlis/Zündorf, Irmgard: Biografie Kurt Schumacher, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/kurt-schumacher.html
Zuletzt besucht am 24.11.2024