Jens Reich geb. 1939

Jens Reich ist ein deutscher Mediziner, Molekularbiologe und Bürgerrechtler. Seit den 1970er-Jahren engagiert er sich als Oppositioneller in der DDR. Im September 1989 ist er Mitbegründer der Bürgerbewegung "Neues Forum", die die Zukunft der DDR mitgestalten will. 1994 kandidiert er für das Amt des Bundespräsidenten.

  • 1939

    26. März: Jens Reich wird als Sohn eines Arztes und einer Heilgymnastin in Göttingen geboren und wächst in Halberstadt auf.

  • 1956

    Abitur an der Dom- und Ratschule Halberstadt.

  • 1956-1962

    Studium der Medizin und Molekularbiologie an der Humboldt-Universität Berlin. Anschließend Tätigkeit als Assistenzarzt am Salvator-Krankenhaus Halberstadt.

  • 1961-1968

    Reich absolviert zusätzlich eine biochemische Fachausbildung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo er ab 1964 als Wissenschaftler tätig ist.

  • 1964

    Promotion zum Dr. med. an der Humboldt-Universität Berlin und 1976 zum Dr. sc.

  • seit 1968

    Wissenschaftler am Zentralinstitut für Molekularbiologie der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch.

  • seit 1969/70

    Mitbegründer und Teilnehmer des privaten "Freitagskreises", der aus rund 30 Oppositionellen besteht, die sich heimlich treffen und eine "Analyse des verrotteten Systems" vornehmen.

    Der Kreis wird ab den 1980er Jahren systematisch vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) abgehört und Gespräche protokolliert.

  • 1974/75 und 1979/80

    Forschungsaufenthalte am Institut für Biophysik der sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Puschtschino bei Moskau.

  • 1980

    Professor für Biomathematik und zeitweise Abteilungsleiter im Zentralinstitut für Molekularbiologie der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch.

    Reich spezialisiert sich auf dem Gebiet der Computeranwendungen in der Biologie und Medizin.

  • 1984

    Rückstufung zum wissenschaftlichen Mitarbeiter, wegen der Weigerung, seine Kontakte zu Bundesbürgern abzubrechen und in eine der Blockparteien einzutreten. Reich werden außerdem Reisen in westliche Länder verweigert.

  • 1988

    Unter dem Pseudonym "Thomas Asperger" veröffentlicht Reich in der Zeitschrift "Lettre International" Artikel, die sich der kritischen Analyse der DDR widmen.

  • 1989

    September: Koautor des Aufrufs "Aufbruch 89 - Neues Forum" und Mitbegründer der Bürgerrechtsbewegung "Neues Forum".

  • 1990

    März-Oktober: Abgeordneter der frei gewählten Volkskammer für das Neue Forum in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

    Wahl zum Vorsitzenden der DDR-Sektion der Internationalen Organisation "Ärzte zur Verhinderung eines Nuklearkrieges" (IPPNW).

    Oktober-Dezember: Mitglied des Bundestages.

    Nach der Wiedervereinigung arbeitet Reich wieder als Abteilungsleiter für Biomathematik am Zentralinstitut für Molekularbiologie in Berlin.

  • seit 1990

    Veröffentlichung zahlreicher Arbeiten und Essays, wie "Rückkehr nach Europa. Zur neuen Lage der Deutschen Nation" (1991), Abschied von den Lebenslügen. Die Intelligenz und die Macht" (1992) und "Deutschland - Chance und Risiko" (1994).

    Mitherausgeber der politisch-wissenschaftlichen Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“.

  • 1991

    Auszeichnung mit dem Theodor-Heuss-Preis, stellvertretend für die vielen Bürgerrechtler in der ehemaligen DDR.

  • 1994

    Mai: Unabhängiger Kandidat zur Wahl des Bundespräsidenten. Befürworter seiner Kandidatur sind die Jugendorganisationen der drei Bonner Parteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.

    Persönlicher Berater des SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping.

    Reich hält den Kontakt zur SPD und den Bündnisgrünen, hat aber auch keine Berührungsängste mit der PDS.

  • 1997

    Gründungsmitglied des " Willy-Brandt-Kreises" in Berlin, der von Günter Grass und Egon Bahr initiiert wird.

  • seit 2001

    Mitglied des Nationalen Ethikrates.

  • 2002

    Reich erhält einen Lehrauftrag für Bioethik am European College of Liberal Arts (ECLA) in Berlin-Buch.

  • 2003

    März: Reichs Buch „Es wird ein Mensch gemacht – Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik“ erscheint.

  • 2004

    Juni: Reich ist Mitherausgeber des populärwissenschaftlichen Buches „Liebling, Du hast die Katze geklont! Biotechnologie im Alltag“.

    Reich wird am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch emeritiert, nachdem er dort jahrelang an der Erforschung des menschlichen Genoms gearbeitet hat.

    Auch seine Professur für Bioinformatik an der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin endet in diesem Jahr.

  • 2008-2012

    Reich ist Mitglied des Deutschen Ethikrates, dem Nachfolger des Nationalen Ethikrates.

  • 2009

    Reich erhält den Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis, der vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina erstmals vergeben wird.

    Außerdem wird er im selben Jahr mit dem Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar geehrt.

  • bis 2011

    Reich koordiniert ein mehrjähriges Forschungsprojekt am MDC zusammen mit einer Forschungsgruppe am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg und der Universität Heidelberg. In dem Projekt wird die Systembiologie des menschlichen Körpers und dessen Eisenstoffwechsel untersucht.

  • 2012

    Reich lehrt am amerikanischen BARD-Berlin College, einer geisteswissenschaftlichen privaten und staatlich anerkannten Hochschule, die vom European College of Liberal Arts (ECLA) 2012 übernommen wurde.

 

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 22.12.2022
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Biografie Jens Reich, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/jens-reich.html
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