Simone de Beauvoir 1908 - 1986

Simone de Beauvoir ist eine französische Schriftstellerin und Philosophin. Sie gehört zu den Begründerinnen der Philosophie des Existenzialismus und ist eine enge Vertraute Jean-Paul Sartres. Ihr bekanntestes Werk „Das andere Geschlecht“, das Thesen zur Selbstverwirklichung der Frau historisch-sozial begründet und radikale gesellschaftliche Veränderungen fordert, ist ein Meilenstein der Frauenbewegung.

  • 1908

    9. Januar: Simone Lucie Ernestine Marie Bertrand de Beauvoir wird in Paris als Tochter des Anwalts Georges de Beauvoir und der Bibliothekarin Françoise de Beauvoir geboren. Sie erhält eine streng katholische Erziehung.

  • 1913-1925

    Schulausbildung am katholischen Mädcheninstitut Cours Désir in Paris. Abschluss Abitur.

  • 1914

    Beginn der engen Freundschaft mit Elizabeth Le Coin, geborene Mabille, genannt Zaza (1908-1929).

  • 1925/26

    Studium der Philologie am Institut Sainte-Marie in Neuilly und der Mathematik am Institut Catholique in Paris.

  • 1926/27

    Beginn des Philosophiestudiums an der Pariser Sorbonne.

  • 1928/29

    Diplomarbeit über den Philosophen und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716).

    Vorbereitung auf die agrégation (Lehrerlaubnis) an der Sorbonne und der Ecole Normale Supérieure (ENS).

    Probezeit als Lehramtskandidatin am Lycée Janson-de-Sailly.

  • 1929

    Bekanntschaft mit Jean-Paul Sartre und Beginn ihrer Beziehung.

    De Beauvoir besteht als Zweitbeste - hinter Sartre - die agrégation.

    Tod ihrer Freundin Zaza.

  • 1929-1931

    Zwei Jahre begnügt sich de Beauvoir damit, Privatstunden zu geben und einer halben Lehrverpflichtung in Paris nachzugehen, um in der Nähe Sartres bleiben zu können.

  • 1931/32

    Erste volle Lehrverpflichtung als Philosophielehrerin in Marseille. Sartre ist im 800 Kilometer entfernten Le Havre angestellt. Da es für Ehepaare im öffentlichen Dienst die Möglichkeit gibt, in räumlicher Nähe voneinander beschäftigt zu werden, bietet Sartre ihr die Heirat an. De Beauvoir lehnt dies aus Abneigung gegen die Ehe als "beschränkende Verbürgerlichung und institutionalisierte Einmischung des Staates in Privatangelegenheiten" ab. Sartre und de Beauvoir beschließen eine dauernde Verbindung, in der jeder seine Unabhängigkeit behalten und dem anderen ein völlig gleichberechtigter Partner sein soll.

  • 1932-1936

    Lehrerin in Rouen. Auseinandersetzung mit der Phänomenologie Edmund Husserls (1858-1938).

  • 1936-1943

    Lehrerin in Paris, zuerst am Lycée Molière, dann am Camille Sée.

  • 1940-1944

    Während der deutschen Besatzungszeit bleibt sie in Paris. Freundschaft mit Albert Camus, Bekanntschaft mit Jean Genet (1910-1986), Alberto Giacometti (1901-1966), Pablo Picasso und anderen Künstlern, mit denen sich Beauvoir und Sartre häufig in ihrem Stammcafé, dem Café Flore am Boulevard St. Germain-des-Prés treffen.

  • 1941

    Rückkehr Sartres aus der deutschen Kriegsgefangenschaft. Gründung der Résistance-Gruppe "Socialisme et Liberté". Tod ihres Vaters.

  • 1943

    Entlassung aus dem Schuldienst wegen "Verführung Minderjähriger", weil sie die Beziehung einer Schülerin zu einem spanischen Juden verteidigt.

    Veröffentlichung von de Beauvoirs erstem Roman, "L'Invitée" (Sie kam und blieb). In dem vom Existentialismus geprägten Roman verarbeitet sie die Dreiecksbeziehung zwischen Sartre, ihr selbst und einer Frau aus der Zeit in Rouen.

    De Beauvoir ist fortan als freie Schriftstellerin tätig.

  • 1943/44

    Programmgestalterin bei Radio Nationale.

  • 1944

    Veröffentlichung ihres ersten philosophischen Essays "Pyrrhus et Cinéas" (Pyrrhus und Cineas).

  • 1945

    Veröffentlichung des Romans "Le Sang des autres" (Das Blut der anderen), der sich mit Okkupation und Widerstand auseinandersetzt.

    Beauvoirs einziges Drama, "Les Bouches inutiles" (Die unnützen Mäuler), das sich thematisch an "Le Sang des autres" anschließt, wird uraufgeführt.

  • ab 1945

    Mitarbeiterin der von Sartre gegründeten politisch-literarischen Zeitschrift "Les Temps Modernes". In der Zeitschrift publiziert sie ihre philosophischen Aufsätze, die später auch einzeln veröffentlicht werden: "Pour une morale de l'ambiguité" (Für eine Moral der Doppelsinnigkeit), (veröffentlicht 1947), "L'Existentialisme et la sagesse des nations" (Der Existentialismus und die Volksweisheit), "L'Idéalisme morale et réalisme politique (Moralischer Idealismus und politischer Realismus), "L'oeil pour l'oeil (Auge um Auge) und "Littérature et Métaphysique" (Literatur und Metaphysik), die gesammelt 1948 unter dem Titel "L'Existentialisme et la sagesse des nations" veröffentlicht werden.

  • 1946

    Veröffentlichung des historischen Romans "Tous les Hommes sont mortels" (Alle Menschen sind sterblich), dessen Protagonist Fosca sich im 16. Jahrhundert für die Unsterblichkeit entscheidet, um all seine Pläne verwirklichen zu können.

  • 1947

    Erste Reise in die USA. Dort lernt sie den amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren (1909-1981) kennen und lieben.

  • 1948

    "L'Amérique au jour le jour" (Amerika - Tag und Nacht) berichtet in Form eines Reisetagebuchs von der Ankunft am 25. Januar 1947 bis zur Abfahrt am 20. Mai 1947 über ihre erste Reise in die USA.

  • 1949

    Nelson Algren kommt nach Paris.

    Veröffentlichung der Schrift "Le Deuxième Sexe" (Das andere Geschlecht) mit dem berühmt gewordenen Satz "Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu gemacht". Das Buch, das Thesen zur Selbstverwirklichung der Frau historisch-sozial begründet und radikale gesellschaftliche Veränderungen fordert, löst heftige Diskussionen aus. Es wird später zu einer Art Bibel der Neuen Frauenbewegung, obwohl sich de Beauvoir selbst nie ausdrücklich als Feministin bezeichnet.

  • 1950

    Reise in die USA. Dort verbringt sie zwei Monate mit Algren.

  • 1951

    Ende der Beziehung mit Nelson Algren.

  • 1952

    Beginn der Beziehung zu Claude Lanzmann (geb. 1925), Mitarbeiter und später Herausgeber der "Temps Modernes".

  • 1954

    Sie erhält den Prix Goncourt für "Les Mandarins" (Die Mandarins von Paris), einen Schlüsselroman über die französischen Linksintellektuellen um Sartre, in dem sie dem Existentialismus ein literarisches Denkmal setzt.

    Beginn des Algerien-Krieges und ihrer Opposition gegen ihn.

  • 1955

    Veröffentlichung von "Privilèges" (Privilegien), einer Sammlung von Aufsätzen, die in "Les Temps Modernes" erschienen waren. Darin unter anderem: "Faut-il brûler Sade? (Soll man de Sade verbrennen?), eine Literaturkritik in Form der Mischung aus Psychoanalyse und Gesellschaftskritik, "La pensée de Droite, aujourd'hui" (Das Denken der Rechten, heute), der in der Darstellung des Hasses der Rechten auf den Kommunismus die Russland-freundliche Linke verteidigt und "Merleau-Ponty - et le Pseudo-Sartrisme" (Merleau-Ponty und der Pseudo-Sartre), der sich gegen den alten Freund und dessen Angriff auf Sartres "Ultrabolschewismus" richtet.

    Mit Sartre Reisen nach Russland und China.

  • 1957

    Veröffentlichung von "La longue Marche" (China - das weitgesteckte Ziel), ein mit historischen, soziologischen und ökonomischen Informationen sowie zahlreichen Statistiken bestückter Essay, in dem sie ihre Eindrücke aus der China-Reise des vergangenen Jahres darlegt.

    Kampf für die algerische Unabhängigkeit.

  • 1958

    Trennung von Claude Lanzmann.

  • 1958-1972

    In ihren autobiografischen Schriften legt sie schonungslos offen Zeugnis ab über ihr Leben und Denken: "Mémoires d'une jeune fille rangée", 1958 (Memoiren einer Tochter aus gutem Hause), "La Force de l'âge", 1960 (In den besten Jahren), "La Force des choses", 1963 (Der Lauf der Dinge) und "Tout compte fait", 1972 (Alles in allem).

  • 1959

    "Brigitte Bardot and the Lolita Syndrome" (Brigitte Bardot - ein Symptom) wird in der Zeitschrift "Esquire" abgedruckt.

  • 1960

    Mit Sartre Reisen nach Brasilien und Kuba.

    Kampagne zugunsten von Djamila Boupacha, einer Agentin der FNL (Front de Libération National/algerische Befreiungsfront), die von französischen Soldaten gefoltert und vergewaltigt worden war, um ein Geständnis zu erpressen.

  • 1963

    Krebstod ihrer Mutter. In "Une Mort très douce" (Ein sanfter Tod) von 1964 beschreibt de Beauvoir knapp, mit klinischer Genauigkeit, das Leiden der Mutter, die unnachgiebige Lebensgier und die physische Auflösung der alten Frau.

  • 1966

    Veröffentlichung des Romans "Les Belles Images" (Die Welt der schönen Bilder), in dem sich de Beauvoir mit der wohlhabenden, "konsumversessenen" Pariser Gesellschaft der unmittelbaren Gegenwart auseinandersetzt.

    Mit Sartre Reisen nach Moskau und Japan.

  • 1967

    Veröffentlichung von "La Femme rompue" (Eine gebrochene Frau), drei Erzählungen von Frauen über vierzig.

    Reise in den Nahen Osten.

    Mitglied des Russell-Tribunal gegen die Kriegsverbrechen in Vietnam.

  • 1970

    "La Vieillesse" (Das Alter), ein Essayband, der sich soziologisch und literarisch mit dem Altern auseinandersetzt, erscheint.

  • 1971

    De Beauvoir unterschreibt im Kampf um ein neues Abtreibungsgesetz in Frankreich zusammen mit anderen prominenten Frauen eine öffentliche Erklärung "J'ai avorté" (Ich habe abgetrieben).

  • 1974

    Präsidentin der "Liga für Frauenrechte" in Frankreich.

  • 1975

    Preis von Jerusalem.

  • 1978

    Auszeichnung mit dem Großen österreichischen Staatspreis für europäische Literatur.

  • 1979

    Herausgabe ihrer frühen, bisher unveröffentlichten Erzählungen "Quand prime le spirituel" (Marcelle, Chantal, Lisa...).

  • 1980

    Tod Jean-Paul Sartres.

    Beauvoir adoptiert die Philosophielehrerin und langjährige Freundin Sylvie Le Bon (geb. 1942).

  • 1981

    "La Cérémonie des adieux, suivi de Entretiens avec Jean-Paul Sartre (août-septembre 1974) (Die Zeremonie des Abschieds und Gespräche mit Jean-Paul Sartre). In dem Buch berichtet sie mit schonungsloser Authentizität über die letzten Lebensjahre und das Siechtum Sartres.

  • 1983

    Herausgabe von Sartres Briefen unter dem Titel "Lettres au Castor et à quelques autres" (Briefe an Simone de Beauvoir und andere).

    De Beauvoir übernimmt den Vorsitz in einer Kommission, die im Auftrag der Regierung eine "Kulturpolitik für die Frauen" entwerfen soll.

    Alice Schwarzer veröffentlicht "Simone de Beauvoir heute", eine Sammlung von Interviews mit de Beauvoir aus den Jahren 1972-1982.

    Auszeichnung mit dem dänischen Sonning-Preis.

  • 1986

    14. April: Simone de Beauvoir stirbt in Paris. Sie wird neben Jean-Paul Sartre auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beigesetzt.

  • 1990

    Sylvie le Bon de Beauvoir gibt Simone de Beauvoirs Briefe an Sartre (Lettres à Sartre, 1930-1963) und ihr Kriegstagebuch (Journal de guerre, Septembre 1939-Janvier 1941) heraus.

  • 1999

    Ihre Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir gibt "Eine transatlantische Liebe. Briefe an Nelson Algren 1947-1964" heraus.

 

(db) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 22.02.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Blume, Dorlis: Biografie Simone de Beauvoir, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/simone-de-beauvoir.html
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