Václav Havel ist ein tschechischer Schriftsteller und Politiker, der von 1993 bis 2003 Staatspräsident der Tschechischen Republik ist. Der erfolgreiche Schriftsteller beteiligt sich an Protestaktionen gegen das kommunistische Regime. 1977 ist er Mitbegründer der Menschen- und Bürgerrechtsbewegung Charta 77 und wird dafür mehrfach inhaftiert. In der „samtenen Revolution“ von 1989 wird Havel zur Symbolfigur des gewaltlosen Widerstands. In seiner 10-jährigen Amtszeit als Präsident der Tschechischen Republik setzt er sich maßgeblich für die deutsch-tschechische Aussöhnung ein.
- 1936
5. Oktober: Václav Havel wird in Prag als ältester Sohn des Ingenieurs Václav Havel und seiner Frau Bozena (Geburtsname: Vavrecková) geboren.
- 1948
Im Zuge der Enteignungen durch die Kommunisten verliert auch die Familie Havel ihren Besitz.
- 1951-1954
Aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft darf Havel keine weiterführende Schule besuchen.
Er macht eine Lehre als Chemielaborant.
Auf einem Abendgymnasium holt er das Abitur nach.
Havel schreibt erste Texte, die stark von Kafka beeinflusst sind.
- 1955-1957
Da ihm aus politischen Gründen ein geisteswissenschaftliches Studium verwehrt wird, studiert Havel an der Technischen Hochschule in Prag Verkehrswirtschaft, darf das Studium aber nicht abschließen, weil er sich an der Akademie der Musischen Künste beworben hatte.
Auch dort wird er zurückgewiesen.
Havel schreibt Kritiken in allen wichtigen tschechoslowakischen Literaturzeitschriften.
- 1957-1959
Militärdienst. Erste literarische Werke.
- 1960-1968
Nachdem er ein Jahr als Kulissenschieber am Prager ABC-Theater gearbeitet hat, wird er am "Divadlo na zábradlí"-Theater Bühnentechniker, später Dramaturg und Autor. Nebenbei arbeitet Havel als Regieassistent an den Städtischen Bühnen.
1963 wird sein Drama "Das Gartenfest" aufgeführt, 1965 "Die Benachrichtigung". Zentrales Thema seiner in der Tradition des absurden Theaters stehenden Stücke und seiner Artikel sind die Gefahren totalitärer Machtansprüche für Individuum und Staat.
Havel darf ein Fernstudium im Fach Dramaturgie aufnehmen, das er 1966 mit einem Examen abschließt.
- 1964
September: Heirat mit Olga Splíchalová.
- 1968
Während des Prager Frühlings ist Havel Vorsitzender des "Klubs unabhängiger Schriftsteller" und gehört zu den 150 Unterzeichnern eines offenen Briefes an das Zentralkomitee (ZK) der tschechischen Kommunistischen Partei (KP) mit Forderungen nach mehr Demokratie. Er wird Wortführer der nichtkommunistischen Intellektuellen, die den von Alexander Dubcek eingeleiteten Reformprozess unterstützen.
August: Nach der Besetzung seines Landes durch die Truppen des Warschauer Paktes widersetzt sich Havel der Gleichschaltungspolitik und erhält daraufhin Aufführungs- und Publikationsverbot im gesamten Ostblock. Er zieht sich in ein Bauernhaus zurück und verdingt sich als Hilfsarbeiter bei einer Brauerei.
- 1974-1985
Obwohl in der Heimat geächtet und schikaniert, erfreut sich Havel international wachsender Bekanntheit als Dramatiker und Hörspielautor. Viele deutschsprachige Bühnen bringen seine satirischen Komödien wie "Die Retter" (1974), "Audienz" (1976), "Vernissage" (1976) und "Protest" (1979). Zur neuen künstlerischen Heimat Havels entwickelt sich das Wiener Burgtheater, das 1985 auch das Schauspiel "Largo desolato" zur Uraufführung bringt. Immer wiederkehrendes Thema seiner Stücke ist die Suche eines Intellektuellen nach Wahrheit, die ihn in Oppositon zum totalitären Regime bringt sowie die Macht der Sprache und ihr Missbrauch.
Auszeichnung mit mehreren Literaturpreisen.
Die Möglichkeiten eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" sieht er im Gegensatz zu Dubcek eher kritisch.
Den Egoismus der westlichen Konsumgesellschaften lehnt Havel ab.
- 1975
April: Offener Brief an den Staatspräsidenten Husák (1913-1991), in dem er schonungslos mit dem System der absoluten "Tiefendemoralisierung" abrechnet, das die Menschen in Heuchelei, Depression und Passivität führe.
- 1977
Januar: Mitbegründer der Menschen- und Bürgerrechtsbewegung "Charta 77". Als einer ihrer Sprecher wird Havel zwei Monate später verhaftet und im Oktober wegen "subversiver und staatsfeindlicher" Aktivitäten zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.
- 1978
Wegen fortgesetzter Aktivitäten als Bürgerrechtler und wegen seiner Veröffentlichungen in einem Selbstverlag wird Havel unter Hausarrest gestellt.
- 1979
Erneute Verhaftung und Verurteilung zu viereinhalbjähriger Gefängnisstrafe wegen "Aufruhrs". Trotz eines Ausreiseangebots der Regierung tritt Havel die Haft an. Während der Haft entstehen die "Briefe an Olga", seine Frau.
- 1983
März: Heftige Proteste im westlichen Ausland und sein angeschlagener Gesundheitszustand bewirken seine vorzeitige Haftentlassung.
- 1988
Havel begründet die Dissidenten-Monatszeitung "Lidove noviny".
- 1989
Januar: Havel ist Mitorganisator einer Gedenkveranstaltung für den Studenten Jan Palach, der sich 1969 aus Protest gegen die Besetzung des Landes selbst verbrannt hatte. Er wird erneut festgenommen und wegen "Aufwiegelung und Störung der öffentlichen Ordnung" zu neun Monaten verschärfter Haft verurteilt.
Mai: Nach weltweiten Protesten wird er aus der Haft entlassen.
Oktober: Havel erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
November: Eine Demonstration mit über 50.000 Teilnehmern in Prag leitet die "samtene Revolution" und damit dramatische politische Veränderungen in der CSSR ein. Havel ist Symbolfigur des gewaltlosen Widerstandes.
19. November: Havel wird Vorsitzender des neu gegründeten "Bürgerforums" (OF), dem neben oppositionellen Menschenrechtsgruppen auch die "Charta 77" angehört. Das Bürgerforum setzt gemeinsam mit seiner slowakischen Schwesterorganisation "Öffentlichkeit gegen Gewalt" (VPN) die Bildung einer neuen Regierung durch.
29. Dezember: Nachdem Präsident Husák zum Rücktritt gedrängt worden war, wird Havel einstimmig zum ersten nicht-kommunistischen Staatspräsidenten der CSSR seit 1948 gewählt.
Einen Tag zuvor war Alexander Dubcek zum neuen Präsidenten des Bundesparlaments gewählt worden.
- 1990
Februar: Havel und der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow unterzeichnen in Moskau eine Deklaration über Gleichberechtigung und Souveränität und vereinbaren den Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis Ende 1991.
April: Umbenennung des Staates in "Tschechische und Slowakische Föderative Republik" (CSFR)
Mai: Havel hält eine Rede vor dem Europarat - ein Plädoyer für eine europäische Konföderation.
Juni: Aus den Wahlen zum Bundesparlament gehen Havels Partei Obcanské fórum (OF) und die slowakische Verejnost proti násiliu (VPN) als große Sieger hervor.
5. Juli: Wiederwahl als Staatspräsident.
- 1992
Februar: Gemeinsam mit Richard von Weizsäcker unterzeichnet er den deutsch-tschechischen Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag. Der Vertrag stößt auf Kritik von Sudetendeutschen und tschechoslowakischen NS-Opfern.
Entgegen Havels Vorstellungen von einem Bundesstaat nach deutschem Vorbild driften Tschechen und Slowaken auseinander.
17. Juli: Das slowakische Parlament erklärt die Souveränität der Slowakischen Republik.
20. August: Havel tritt vorzeitig als Staatspräsident zurück. Das Amt bleibt vorerst vakant.
- 1993
Januar: Nach Auflösung der Tschechoslowakei wird Havel mit knapper Mehrheit zum Präsidenten der tschechischen Republik gewählt.
Sein Eintreten für eine Strafrechtsnovelle, welche u.a. die Beleidigung des Staatsoberhauptes mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bedroht, kostet ihn Sympathien und fordert die Kritik von Amnesty International heraus.
Umstritten im eigenen Land sind auch seine Entschuldigungen für die Vertreibung der Deutschen nach 1945.
- 1995
Havel tritt für den Beitritt seines Landes zur Europäischen Union (EU) und zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation (NATO) ein und fordert eine gemeinsame Verfassung.
- 1996
27. Januar: Seine Frau Olga stirbt an einem Krebsleiden.
Dezember: Havel wird ein Teil des rechten Lungenflügels entfernt .
- 1997
Januar: Heirat mit der Schauspielerin Dagmar Veskrnová.
- 1998
Januar: Wiederwahl zum Staatspräsidenten.
Havel muss sich in seiner zweiten Amtszeit mehreren schweren Operationen unterziehen.
Sein internationales Renommee bleibt ungebrochen, in Tschechien setzt ihm die von den Regierungsparteien Obcanskà demokratická strana (ODS) und Sozialdemokraten (CSSD) geplante Beschränkung der Macht des Präsidenten und der Tratsch der Boulevard-Presse über seine zweite Ehe zu.
- 1999
Im Beitritt seines Landes zur NATO sieht Havel einen "der wichtigsten Augenblicke unserer Geschichte" und befürwortet die tschechische Beteiligung am Kosovo-Krieg.
- 2001
November: Anlässlich des tschechischen Nationalfeiertags beklagt er, dass das kommunistische Erbe "an der Oberfläche kapitalistisch getüncht" in Politik und Gesellschaft weiterlebe.
- 2002
November: NATO-Gipfel in Prag, dem als erster Gipfel in einem Staat des ehemaligen Warschauer Paktes besondere Bedeutung zugemessen wird.
- 2003
Havel unterschreibt den Aufruf von acht europäischen Staats- und Regierungschefs zu einer Unterstützung der US-Politik im Irak.
2. Februar: Václav Havel legt am Ende der zweiten Amtszeit sein Amt nieder. Er ist nach zehn Jahren als tschechischer und zwei Jahren als tschechoslowakischer Präsident der längstgediente Präsident des Landes.
28. Februar: Der frühere Ministerpräsident Václav Klaus und politische Gegenspieler Havels wird von beiden Parlamentskammern zum neuen Präsidenten gewählt.
- 2004
Beitritt der tschechischen Republik zur Europäischen Union, wofür Havel schon seit 1995 eingetreten war.
Zusammen mit über 100 Wissenschaftlern und Politikern unterzeichnet Havel einen offenen Brief an Wladimir W. Putin, worin der politische Kurs des russischen Präsidenten scharf kritisiert wird.
- 2006
Veröffentlichung seines Erinnerungsbuches "Fassen Sie sich bitte kurz. Gedanken und Erinnerungen", in dem sich Havel mit seiner Zeit als Staatspräsident auseinander setzt.
- 2008
Uraufführung des Theaterstücks "Odcházeni" (Abgang) im Theater "Archa" in Prag. Havel beschreibt den Abschied eines Politikers, die Schwierigkeit des schrittweisen Loslassens und die Machtübernahme durch den ungeliebten Nachfolger.
- 2011
18. Dezember: Nach schwerer Krankheit stirbt Václav Havel in Prag.
(sw/reh) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 13.04.2016
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Wirtz, Susanne/Haunhorst, Regina: Biografie Václav Havel, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/vaclav-havel.html
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