Im Sommer 1989 fliehen tausende Ostdeutsche in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin sowie in die Botschaften der Bundesrepublik in Budapest, Prag und Warschau. Am 30. September verkündet Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher 6.000 Flüchtlingen in der Prager Botschaft, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik bewilligt wurde. Viele lassen die Schlüssel ihrer Häuser und Wohnungen in der Botschaft zurück. Die Schlüssel stehen beispielhaft für die Massenflucht über die Botschaften und die Entschiedenheit, mit der viele Menschen ihr bisheriges Leben hinter sich lassen.
Für den Unterricht
Recherchieren und einordnen: Unter Reisefreiheit und Massenflucht können sich die Schülerinnen und Schüler über die beschränkten Reisemöglichkeiten für Ostdeutsche und die Fluchtbewegungen über Ungarn und Österreich informieren. Der kurze Film “Die Botschaft von Prag“ vermittelt die angespannte Situation in der Prager Botschaft und zeigt den Moment, in dem Hans-Dietrich Genscher die nun mögliche Ausreise der Flüchtlinge verkündet. Anschließend können Schülerinnen und Schüler die Ereignisse in der Prager Botschaft und den Schlüssel als Objekt historisch einordnen.
Bewerten: Ausgehend von der Objektbetrachtung können Schülerinnen und Schüler die Bedeutung eines Schlüssels für seine Besitzerin oder seinen Besitzer reflektieren. Sie können überlegen, warum die Botschaftsflüchtlinge ihre Schlüssel in der Botschaft zurückließen und was dieser Akt für sie bedeutete. Hielten sie eine Rückkehr in die DDR für möglich? Welche Zukunftsvorstellungen können sie gehabt haben?
Vergleichen: Darüber hinaus können sie mit einem Perspektivwechsel die unterschiedlichen Haltungen der Ostdeutschen zu den Entwicklungen des Sommers und Herbstes 1989 vergleichen. Unter Montagsdemonstrationen können die Schülerinnen und Schüler die Forderungen der Demonstranten recherchieren. Was sagen Forderungen wie „Reisefreiheit statt Massenflucht“ über die Ziele und Perspektiven der Demonstranten aus?
Interpretieren und diskutieren: Trotz der Massenflucht und Massenproteste feiert das SED-Regime am 7. Oktober 1989 den 40. Jahrestag der DDR-Gründung. Die Schülerinnen und Schüler können in Kleingruppen diskutieren, warum das Regime den Jahrestag trotzdem auf diese Art und Weise feiert. Das Plakat “Darauf sind wir stolz!“ zum 40. Jahrestag der DDR können sie in eigenen Worten beschreiben und hinterfragen: Wie passen Eigen- und Fremdbild des Regimes zusammen?
Gegenüberstellen: Die Zeitzeugen Markus Rindt, Hans-Dietrich Genscher und Jiri Kap berichten aus unterschiedlichen Perspektiven über die Ereignisse in der Prager Botschaft. Die Schülerinnen und Schüler können sich die Interviews im Zeitzeugenportal ansehen und die Perspektiven der Erzählungen vergleichen. Welche Rolle spielen die Akteure jeweils bei den Ereignissen? Empfinden die Menschen in der Botschaft die Situation als Krise? Aus welchen Gründen? Hier kann auch die Quellengattung „Zeitzeuge“ problematisiert werden.
Für den Museumsbesuch
Im Tränenpalast können Schülerinnen und Schüler die Schlüssel in ihrem musealen Kontext betrachten. Sie können die Inszenierung der Originalobjekte im Zusammenhang mit den Massendemonstrationen und dem 40. Jahrestag der DDR untersuchen und ihre Präsentation in der Ausstellungseinheit diskutieren. Welche Kernaussage verbindet diese Inszenierung?
Neben der funktionalen Nutzung können die Schülerinnen und Schüler auch die symbolische Bedeutung eines Schlüssels besonders in den Blick nehmen. Sie können die Schlüssel aus der Prager Botschaft mit dem Schlüssel von Manfred Probst (Koffer im Themenbereich „Wiedervereinigung“). Welche symbolische Bedeutung hat der Akt, einen Schlüssel für immer zurückzulassen? Was bedeutet es hingegen, einen Schlüssel dreißig Jahre lang aufzubewahren?