Dieser Beitrag wurde von Detlef Sennholz (*1950) 2020 verfasst.
Zum ersten Mal im Westen
Erleichterung für BRD-Besuchsreisen in den 80er Jahren: Als Rentner konnten meine Eltern ab 1985 eine Tante im Schwarzwald besuchen. Als diese 1988 ihren siebzigsten Geburtstag feiern wollte, wurden sie wieder eingeladen. Wegen gesundheitlicher Probleme und umständlicher langer Bahnfahrt lehnten sie ab. Gaben aber den Hinweis in Vertretung mal mich einzuladen, Erfolg unklar! Wider Erwarten bekam ich Reisepass und Besuchsvisum, auf Nachfrage längste Reisedauer 12 Tage. Hinfahrt mit großem Koffer (aber nur 1/3 gefüllt), Rollwagen + Reisetasche. Nach 11 Tagen Aufenthalt wurden mindestens 3 Stunden zum Gepäckpacken benötigt, alles gestopft voll (incl. gebrauchter Kfz-Ersatzteile) und 2 Plastbeutel. Mit dem D-Zug zurück und nach Oebisfelde Durchfahrt durch das Tor im Grenzzaun. Mit dem Blick zurück, ob meine Rückkehr richtig war? Das sollte sich bei der Zollkontrolle ergeben! Kein Anstoß an den gebrauchten Ersatzteilen, die noch dazu in Papierseiten von Illustrierten eingewickelt waren. Aber die Tochter der Tante hatte mir die Neuausgabe einer Bibel mit persönlicher Widmung geschenkt. Als der Zöllner das sah, wurde er bösartig (vermutlich reaktionärer Atheist). Alle anderen Fahrgäste mussten das Abteil verlassen, ich musste auf den Bänken Koffer und Tasche komplett auspacken, zur Kontrolle. Alles kontrolliert, nichts beschlagnahmt, verabschiedet und ich kann wieder einpacken. Die anderen Passagiere mussten lange warten, bis ich leidlich wieder alles eingepackt hatte und sie sich setzen konnten!
Mit der Spiegelreflexkamera im Kaufhaus
2.Versuch einer BRD-Besuchsreise: Zur hannoverschen Verwandtschaft meines Onkels in Weißenfels hatten meine Eltern und ich schon lange Kontakt. Da meine 1. BRD-Reise gelungen war, wurde ich von der "sogenannten Großtante" im März 1989 zur Geburtstagsfeier nach Hannover eingeladen. Neues Visum beantragt, wieder erfolgreich, 12 Tage Hannover! Mit meiner Spiegelreflexkamera die Etagen der vielen großen Kaufhäuser hoch und runter, von der Rolltreppe aus Fotos über die vollen Regale geschossen. Einige andere Kunden beäugten mich seltsam, hielten mich vielleicht für einen Spion oder Kaufhausdetektiv. Bei einigen für mich interessanten Artikeln den Notizblock gezückt und Preise notiert; mit Preisen in den nächsten Kaufhäusern verglichen. Denn für Käufe nützten meine Ostmarks nichts; die mir zugesteckten DM der entfernten Verwandtschaft mussten gut eingeteilt werden. Noch heute bin ich dem freundlichen Inhaber der Autoverwertung dankbar, der mir zwischendurch, nach dem Ausbau von Teilen einfach keine Preise nennen wollte; als ich zum Schluss ihm alles vorzeigte nur erwiderte, das wäre ein Geschenk an mich und ich solle gehen! Rückfahrt wieder mit schwerstem Gepäck. Keine Probleme am Zoll. Und ich hatte bereits für Ende Mai die nächste Einladung vom "Großonkel" in der Tasche!
“Keine Verwandtschaft, abgelehnt…“
Mai 1989: Wieder zu Meldestelle der VP [Volkspolizei] zwecks Visums. Frage des Beamten "Was ist das für eine Verwandtschaft?" Krampfhaft versucht das zu erklären. Darauf die Beamtenreaktion "Keine Verwandtschaft, abgelehnt, der nächste Wartende soll reinkommen!" Große Depression; zweimal Visum und Rückkehr, nun das! Über Kleinanzeige in "Zweite Hand" hatte ich in Hannover einen Briefmarkensammler kennengelernt und besucht. Er hatte mir viele Dubletten von BRD und WB [West-Berlin] mitgegeben, die mir noch fehlten, im späteren Tausch gegen DDR-Postkarten. Ihm mein neuerliches Leid im Brief geschildert. Er hatte die Jahrhundertidee! Ich vermute, ihm war in der Vergangenheit der Name "Sennholz" in Hannover über den Weg gelaufen. Er schaute also im Telefonbuch nach, fand 5 oder 6 Einträge auf Sennholz. Diese mit Anschrift und Telefonnummer mir mitgeteilt und ich sollte einen Brieftext entwerfen mit dem vorliegenden Problem: Zwar sehr gute Bekannte in Hannover, aber keine Reisevisum mehr, deshalb werden Einladungen zu Geburtstagen oderä. benötigt, um weiterhin Visum für Besuche zu bekommen! Briefe verfasst, abgeschickt und gewartet. Eine Rückantwort, aber anderer Familienname? Eine Rentnerin (geb. Sennholz) hatte meinen Brief ungläubig an ihre Tochter in Laatzen übergeben mit der Frage: "Was ist davon zu halten?". Diese Tochter schrieb mir dann, um näheres auch über mich zu erfahren. Aber dann kam urplötzlich der Mauerfall, mein Problem hatte sich damit erledigt! Der Briefwechsel zu dieser Tochter und deren Familie, auch Besuche kamen trotzdem noch zustande!
Zur Person
Detlef Ingolf Sennholz wird 1950 in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) geboren. Ab 1957 besucht er die Grundschule in Weißenfels und anschließend ab 1965 die Erweiterte Oberschule Lützen, die er 1969 mit dem Abitur abschließt. Parallel zur Erweiterten Oberschule absolviert er eine Berufsausbildung zum Chemielaborant im Hydrierwerk Zeitz. Im Anschluss studiert Detlef Sennholz an der Technischen Hochschule für Chemie in Merseburg. Ab1973 arbeitet er im Chemiefaserwerk in Premnitz, wo er 1976 leitender Chemiker des Zentralen Betriebslabors wird. Als Sennholz 1979 mit einer schlechten Beurteilung entlassen wird, beginnt er einen Arbeitsrechtsstreit, der bis zum Obersten Gericht der DDR verhandelt wird. Da Sennholz als Folge nicht mehr in seinem Ausbildungsberuf tätig sein kann, arbeitet er zunächst als Kraftfahrer und Sargtischler, ab Mitte 1980 bis 1985 ist er im kaufmännischen und wirtschaftlichen Bereich des Konsum Backwarenkombinats Potsdam tätig. Für Familienbesuche erhält er 1988/89 zweimal eine Reiseerlaubnis in den Westen. Ab 1990 arbeitet er für verschiedene Versicherungen, bis er im Jahr 2000 nach Norditalien auswandert.
Empfohlene Zitierweise:
Sennholz, Detlef: Besuche im Westen 1988/89, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/Detlef-Sennholz-Besuche-im-Westen-1988-89.html.html
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