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Burkhard Brenk: Zolldienst an der innerdeutschen Grenze zur DDR

Dieser Beitrag wurde von Burkhard Brenk (*1948) aus Aachen im Jahr 2015 verfasst.

Dienst als Zollbeamter an der Grenze zur DDR

Für den „Zaunkönig“ [Anmerkung d. Redaktion: Spitzname des Zeitzeugen] fing der dienstliche Alltag als Zollgrenzdienstbeamter an der innerdeutschen Grenze zur DDR an. Eckertal hatte zu dieser Zeit einen großen hölzernen, sogenannten Übersichtspunkt, von wo man über die Grenze auf die Ortschaft Stapelburg sehen konnte und auf einen Grenzführungspunkt gleich am Grenzverlauf blicken konnte. Der Grenzführungspunkt Stapelburg bestand aus einem Beobachtungsturm mit Scheinwerfern und einem Fahrzeugunterstand mit den nötigen Verbindungen zu den Alarmanlagen usw. Der auf westlicher Seite gelegene Informationspunkt über die Grenzverhältnisse war unterhalb des hölzernen Übersichtspodestes. Bei gutem Wetter wurde Eckertal von vielen Besuchern und Bussen mit Gruppen angefahren, die sich über die Grenzverhältnisse informieren wollten. Es gab Führungen für Schulklassen oder angemeldete Gruppen aus allen Gebieten und Ländern. Dazu wurde auch ich mit Rauk, meinem Diensthund, sehr oft eingesetzt. Wie schon angeführt, wurde der Dienst der Grenzaufsichtsstelle in den ersten Jahren im Sommer mit Dienstfahrrädern verrichtet und im Winter mit Skiern. Bei schönem Wetter in dieser Natur war das eine herrliche Sache. Da kam dann plötzlich ein Zollbeamter auf seinem Fahrrad mit dem Diensthund an der Leine den Besuchern entgegen, die staunend stehen blieben und ihre Fragen stellten. „So möchte ich auch einmal mein Geld verdienen. Das ist ja wie im Urlaub! Nur, dass ihr für diesen Dienst auch noch bezahlt werdet!“ So kam es im Sommer und im Winter zum gleichen Spiel. Bei herrlichem Sonnenschein und glitzerndem Schnee kam der Zöllner mit roten Strümpfen und Knickerbocker auf seinen Skiern und dem Hund an der Leine auf die Besucher zu und schon wieder musste er sich wegen seines Berufes rechtfertigen, was auch verständlich war. Es war auch für ihn eine schöne Zeit so seinen Dienst verrichten zu dürfen. Doch unsere interessierten Besucher sahen nicht die dunklen, regnerischen Tage, die langen Nächte und die Wochenenden und Feiertage, die auch unseren Einsatz erforderten. Sie hörten auch nicht die Detonationen der Selbstschussanlagen (SM 70 Anlagen), die einen in der Nacht mit ihren lauten Explosionen und dem Gedanken „bitte lass es kein Mensch gewesen sein“ aus dem Schlaf rissen. Sie hörten nicht die lauten Alarmanlagen des Hinterland-Zauns und sie hörten auch nicht die klagenden Schreie des tödlich verletzten Wildes, das im Metallgitterzaun halb zerfetzt hing und elendig verendete. Sie bemerkten auch nicht, welche Belastungen auf den Familien der hier wohnenden und Dienst verrichtenden Beamten lagen.

Begegnungen zwischen Ost und West

Doch es gab auch eine andere Seite dieser Grenze, eine menschliche Seite, die sich selten zeigte, aber dafür war sie bemerkenswerter. Eines Tages begleitete der Zaunkönig einen Grenzaufklärer (einen sehr zuverlässigen Offizier der DDR- Grenztruppen) auf seinem Kontrollgang auf der westlichen Seite vor dem Metallgitterzaun direkt am Grenzverlauf, als sich dieser zu einem kleinen Päuschen auf einen Stein setzte. Er übersah dabei aber, dass der Stein schon durch eine Kröte besetzt war. Die Kröte überlebte die Aktion leider aber nicht. Sie hinterließ einen großen Fleck auf der Offiziershose. Zu meinem Erstaunen lächelte er zu mir rüber und ich grüßte zurück. Wir gingen dann beide unseren Weg weiter. Auch an dem ersten Nachtdienst nach unserer Hochzeit kam es zu so einer besonderen Begegnung. Ich stand zur späten Stunde auf dem Grenzübersichtspunkt in Eckertal, gegenüber der Ortschaft Stapelburg und den durch Grenzsoldaten besetzten Beobachtungsturm des Grenzführungspunktes von Stapelburg. Voller Freude über unsere Hochzeit, strecke ich den Finger mit dem goldenen Ring den Grenzsoldaten auf dem Turm entgegen, als plötzlich der große Turmscheinwerfer anging und der Ring, der Hund und ich im hellen Scheinwerferlicht standen! Eines der oberen Turmfenster wurde gekippt und es zeigte sich ein Schnippel von einem Maßband. Leider weiß ich bis heute nicht, ob es sich dabei um die restlichen Tage seiner Dienstzeit bei der Grenztruppe handelte, oder ob das gezeigte „Tageband“ die Zeit bis zu seiner Hochzeit anzeigen sollte. Jedenfalls war es ein ungewöhnliches Erlebnis einer Kontaktaufnahme zwischen Ost und West.

Grenz-Muffel

So einen Kontaktaufnahmeversuch durfte ich nach einiger Zeit nochmals erleben. Dieses Mal aber von West nach Ost. In den frühen Morgenstunden postierten mein „beamteter“ Zollhund Rauk und ich direkt am Grenzfluss der Ecker auf Höhe Rabenklippe. Der Hund lag mit angelegtem Zollkennzeichen neben der geöffneten Fahrertür des VW-Kombis, als überraschend eine Herde Muffelwild an uns vorbeilief und auf das Gebiet der DDR wechselte. Das war an diesen engen Stellen des Eckertales unterhalb der Talsperre ohne weiteres möglich, da es hier geländebedingt keinen Grenzzaun gab. Dieser kam erst wieder als Hinterland-Zaun weiter auf dem Staatsgebiet der DDR. Rauk sah aber die Braten laufen und nahm sofort die Verfolgung dieser Grenzverletzer auf. Alles Rufen nutzte nicht. Doch nach einiger Zeit kam er mit eingekniffenem Schweif und hängender Zunge wieder in den „goldenen Westen“ zurück. Ich jedenfalls hatte meinen Hund schon in der Propagandasendung des DDR-Fernsehens „Der schwarze Kanal“ mit Karl-Eduard von Schnitzler, dem sogenannten „Schmuddel Ede“, gesehen. Nach dem Motto: Jetzt flüchten sogar die armen Hunde des Klassenfeindes in unser Arbeiter und Bauernparadies.

Zur Person

Burkhard Brenk wird 1948 in Salzgitter-Immendorf geboren. Von 1968 bis 1972 leistet er freiwilligen Wehrdienst in Dedelstorf und Hannover und wird Unteroffizier. Dann macht er eine Ausbildung beim Zoll und arbeitet von 1975 bis 1980 beim Zollgrenzdienst an der innerdeutschen Grenze in Bad Harzburg/Eckertal in Niedersachsen. 1980 wechselt er nach Aachen zu einer Sondereinheit des Zolls und bleibt dort bis zu seinem Ruhestand 2008. Er hat seine Erinnerungen in dem Buch "Ein Zöllner flüchtete in die DDR" veröffentlicht. Burkhard Brenk ist verheiratet, hat einen Sohn und einen Hund.

Empfohlene Zitierweise:
Brenk, Burkhard: Zolldienst an der innerdeutschen Grenze zur DDR, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/burkhard-brenk-zolldienst-an-der-innerdeutschen-grenze-zur-ddr.html
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