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Christoph Wonneberger: Fasten für den Frieden

Christoph Wonneberger (*1944) reicht drei Tagebucheinträge zu der von ihm initiierten Aktion "Fasten für das Leben" in der Dresdner Weinbergkirche im November 1983.

Fastentagebuch-Eintrag von C.G.

Leider gibt es noch immer überall in der Welt Orte, wo Menschen, besonders Kinder, Hunger leiden müssen. Da wir uns nicht in die Lage versetzen können, Tage lang, ja sogar Wochen lang zu fasten, finde ich es sehr wichtig, dies einmal zu tun, um zu sehen und zu fühlen wie es den Menschen geht, die nichts zu essen haben. Seit 21 Uhr faste ich schon und bereue es nicht. Man muß sich wirklich beherrschen, um nicht irgend etwas zu essen. Zum Glück haben wir ja auch nichts da. Ein gewisses Hungergefühl verspüre ich schon seit einiger Zeit, aber ich verspüre die Kraft, dies zu unterdrücken. Durch dieses Fasten, Beten, miteinander Singen und miteinander Reden fühle ich in mir, daß ich ein Stück mehr zu Gott herangekommen bin. Der Frieden ist zu sehr in Gefahr und ich finde das Wenige, was in unserer Macht steht, sollte man nutzen, um sich persönlich für den Frieden einzusetzen. In unserer christlichen Gemeinschaft in Zwickau starteten wir auch die Friedensdekade, einer war unter uns, der von Montag - Donnerstag gefastet hat. Dies hat eigentlich den Ausschlag für mich gegeben, nach Dresden zu fahren, um für den Frieden in der Welt zu fasten. Ich hoffe, daß noch mehr Menschen zu der Einsicht gelangen, daß man persönlich etwas für den Frieden tun muß, auch wenn dies nur ein geringer Teil ist. Mir hat diese 24stündige Fastenzeit viel gegeben und ich habe mir vorgenommen, daß dies nicht das erste und letzte Mal sein wird. C.G.

Fastentagebuch-Eintrag von M.B.

Daß ich mich für das "Fasten für das Leben" eingeschrieben habe, hatte seine Ursache darin, daß ich mich in meinem Friedensengagement am Ende fühle. Durch das dauernde NO von westlicher Seite auf alle östlichen Vorschläge und sogar auf den schwedischen Vorschlag der atomwaffenfreien Zone, fühle ich mich für Diskussionen und Handlungen in unserem Land aller Argumente beraubt, zumal ich von Atheisten nicht erwarten kann, daß sie von christlichen Glaubensaussagen berührt werden. Außerdem leide ich darunter, daß die EKD nicht klarer gegen die Nachrüstung Stellung nehmen kann, da offenbar viele Christen in der BRD und den USA den Waffen mehr vertrauen als dem Evangelium Jesu Christi. Deshalb könnte es möglich sein, daß Gott sich eher aus diesen Steinen (Kommunisten) Kinder machen kann (soweit ich informiert bin, ist in kommunistisch regierten Ländern in den letzten 30 Jahren kein Mensch verhungert), als die Herzen der Wohlstandschristen zu erweichen. Darauf habe ich jedoch auch keinen Einfluß. Mit meiner Macht, meinem Verstand und Wort ist also nirgends mehr was getan. Ich entnehme daraus, daß mir das Gott zeigen will, um mich zum intensiven Gebet zu führen und dazu glaubte ich beim "Fasten für das Leben" Gelegenheit zu haben, was sich teilweise auch erfüllt hat. Ich habe es als angenehm empfunden, mal einen ganzen Tag für mich allein zu haben, was sonst nicht vorkommt. Dadurch, daß wir "vier Fastenbrüder (Schwestern)" uns meist alle in einem Raum aufgehalten haben, bin ich zu der erhofften stärkeren Sammlung und Meditation nicht recht gekommen. Trotzdem war es gewiß heilsam zu erfahren, wie Hunger tut; obwohl mein jetziger Hunger nicht zu vergleichen ist, da ich weiß, daß ich in drei Stunden wieder was zu essen haben werde. M. B.

Fastentagebuch-Eintrag von E.H.

Nach rund 20 Stunden verspüre ich keinen Hunger mehr, aber ich bin stark übermüdet. In diesen Stunden des Fastens habe ich genügend Ruhe gefunden, über mich und über mein Leben nachzudenken. Über den Frieden, den ich nach außen weitergeben möchte. Viele Menschen fasten für den Frieden, so wollte ich dieser Aktion auch angehören. 1 Tag und 1 Nacht, daß ist noch kein richtiges Fasten, aber ich hab das Gefühl zu hungern. Ich werde auch versuchen, noch 1 bis 2 Tage durchzuhalten. Auch wenn ich allein bin. E.H.

Zur Person

Christoph Wonneberger wird 1944 geboren. Als evanglischer Pfarrer in der DDR schlägt er die Einführung eines sozialen Friedensdienstes als Ersatz für den Wehrdienst vor. Er wird deutschlandweit bekannt als Koordinator der Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Diese Friedensgebete führen zu den Montagsdemonstrationen. In der Hochphase der friedlichen Revolution, im Oktober 1989, erleidet Wonneberger einen Schlaganfall. Diesem folgen lange Jahre der Regeneration. 2014 bekommt er den Deutschen Nationalpreis für seinen Einsatz in der friedlichen Revolution.

Empfohlene Zitierweise:
Wonneberger, Christoph: Fasten für das Leben, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/christoph-wonneberger-fasten-fuer-das-leben.html


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