Zeitzeugen > Nachkriegsjahre

Edith Stampe: Der schwarze Markt

Dieser Beitrag wurde von Edith Stampe (*1930) aus Hamburg im Jahr 2001 verfasst.

"Was hast du noch?"

In unserer Abschlussprüfung in der Berufsschule im Jahre 1948 lautete das Aufsatzthema "Der schwarze Markt, seine Entstehung und seine Auswirkungen".

Der schwarze Markt entstand nach dem Krieg, weil fast alle Dinge des täglichen Lebens knapp oder gar nicht vorhanden waren. Da wurde überlegt, was hast du noch? Was könnte man eventuell verkaufen, um für den Erlös das zu erstehen, was einem fehlte? Unser Geld war ja vor der Währungsreform im Jahre 1948 sowieso nicht viel wert, darum mußte man - wenn man selber nichts zu verkaufen hatte - ganz schön viel Geld zahlen. Ich brauchte schon immer viel Schuhe, so dass mein Vater manchmal scherzhaft sagte, ich würde dir raten, einen Schuhmacher zu heiraten. Ich war jung und wollte auch mal zum Tanzen gehen, nachdem wir diesen schlimmen Krieg mit so vielen Opfern überstanden hatten. Wenn ich an die vielen Luftangriffe denke, dann kriege ich heute noch Angst, wenn ich eine Sirene höre.

Eines Tages sagte mein Vater, so nun gehen wir zum schwarzen Markt und wollen mal sehen, ob wir ein paar Schuhe für dich kriegen. Wir haben lange gesucht und endlich fanden wir ein paar schwarze Sportschuhe - sie sahen aus, als wenn es Lackschuhe waren und mein Vater bezahlte 200,-RM, dies war für 1948 ein Vermögen. Ich bin meinem Vater heute noch dankbar dafür und mit den Schuhen habe ich dann erstmal richtig tanzen gelernt, aber gleich auf dem Tanzboden, für die Tanzschule gab es in meiner Familie kein Geld. Aber gelernt habe ich das Tanzen genauso gut.

Zigaretten waren eine gute "Währung"

Auf dem schwarzen Markt hat jeder, der irgendwie an was kommen konnte, gehandelt und sei es nur mit stibitztem Rohkaffee aus dem Freihafen, der zu Hause in der Pfanne geröstet wurde. Auch Zigaretten waren eine gute "Währung" auf dem Markt. Überall in der Stadt entstanden solche Märkte, da sie aber eigentlich verboten waren, mußte man immer wach sein, denn wenn eine Razzia kam und man seine Beine nicht in die Hand nahm, dann war man geliefert und mußte mit auf's Revier. Wie die einzelnen Strafen waren, das weiß ich nicht, weil ich nicht oft da war und auch nicht geschnappt wurde. Das ging so schnell mit der Polizei, dass das beste Versteck immer der nächste Hauseingang war und man dann bis zum Boden lief.

Ich bin der Meinung, daß man diese Dinge, die uns in jungen Jahren beschäftigt haben, nicht vergessen werden sollten und das die Jugend heute vielleicht manchmal ein wenig innehält und darüber nachdenkt und sagt "was haben wir bloß für eine unbeschwerte Jugend - wir müssen keinen Mangel leiden, wir müssen nicht Tag und Nacht in den Bunker und brauchen keine Angst zu haben".

Dank

Vielleicht wäre es einen kleinen Dank wert an die Menschen, die ihnen dieses Leben erst ermöglicht haben.

Empfohlene Zitierweise:
Stampe, Edith: Der schwarze Markt, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/edith-stampe-der-schwarze-markt.html
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