Dieses Interview mit Hedwig Hillenbrand (*1915) wurde im Jahr 2000 von Anke Hillenbrand und John Wiesel eingereicht.
Persönliche Erlebnisse in der Nachkriegszeit
Wann kam Dein Ehemann aus dem Krieg zurück ?
Am 1. August 1947 kam er zurück, nach 7 Jahren Krieg und Gefangenschaft. Zuerst war er bei den Amerikanern, dann bei den Engländern, wo er Diplomat war. Nach dem Krieg haben wir dann bald geheiratet.
Hast du den Krieg hautnah miterlebt? Wann war der Krieg in Pforzheim vorbei?
Am 23. Februar 1945 war der große Bombenangriff auf Pforzheim. Am Ostermontag haben die Alliierten den Rathausplatz ausgebombt, also kurz vor der Kapitulation am 8. Mai. Am Tag der Kapitulation standen wir noch alle unter Schock. überall lagen Tote in den Trümmern und Kreuze wurden auf die Trümmerhaufen gesteckt. Niemand dachte an diesem Tag an einen Tag der Befreiung, denn jeder hatte mit sich selbst zu tun und musste nach Unterkünften und Essen suchen. Außerdem hatten wir kein Radio und konnten somit auch nichts vom politischen Geschehen mitkriegen. Später haben wir wieder eine Zeitung gehabt, da haben wir dann wenigstens wieder Nachrichten mitbekommen.
Was wurde unternommen, um die Stadt wiederaufzubauen?
Menschen ohne Unterkunft wurden aufs Land evakuiert und in Notunterkünfte gebracht oder kamen bei Bekannten unter. Um die Trümmer zu beseitigen ist alles, was Hände und Füße hatte, zum Aufräumen eingesetzt worden. In der Stadt wurden Provisorien errichtet, damit man wieder einkaufen konnte. Bis ca. 1947/48 haben wir noch Lebensmittelkarten gehabt, und solange man die hatte, ging es einem nicht so schlecht. Marken, die wir nicht brauchten, haben wir immer verschenkt. Wir waren keine großen Esser, aber Leute mit Kindern brauchten dafür umso mehr. Nach den Lebensmittelkarten mussten die Leute selber für sich sorgen, da wurde es knapp und die Leute sind "hamstern" gegangen und haben selbst anbauen müssen. Manche standen schon um 4 Uhr früh in der Schlange um Brot zu ergattern, doch das war schnell ausverkauft. Bis das Leben wieder den geregelten Gang ging, dauerte es sehr lange.
Gab es während und nach dem Krieg bei euch viele Nazis?
Während des Krieges hat es viele gegeben, die haben ja die Hauptrolle gespielt. Man musste ganz vorsichtig sein, dass man kein falsches Wort gegen sie sagte. Jedoch hat man es laut sagen dürfen, wenn man, wie wir, kein Nazi war. In Ludwigsburg sind bei der Entnazifizierung viele Nazis "verknurrt", d.h. verhört worden. Aber "große" Nazis kannte ich eigentlich nicht. Als Verbrecher würde ich die "kleinen" Nazis nicht bezeichnen, sie haben zu ihrer Partei gestanden und es gab leider niemand anderen als Hitler. Aber ich war nicht überzeugt.
Welche Erfahrung hast Du mit den Siegermächten gemacht?
Am Anfang waren Franzosen da, die sämtliche Freiheiten hatten. Sie durften wildern, in die Wohnungen hinein, ausrauben und Frauen vergewaltigen. Ab 20 Uhr abends war immer Ausgangssperre, da durften die Franzosen in die Familien und sich einfach ein Mädchen nehmen. Damit wollte man uns strafen. Unsere Region wurde nach dem Krieg zur amerikanischen Zone. Bei den Amerikanern hat man es am besten gehabt. Die anderen hatten etwas ärmliche Verhältnisse, und die Amerikaner waren am reichsten.
Ab wann gab es wieder kulturelle Veranstaltungen?
Die gab es bald wieder. Ab 1947 wurde die Turnhalle hier im Ort [in Pforzheim] für Theater und Konzerte benutzt. Es war natürlich alles sehr primitiv. Kulturelle Veranstaltungen waren auch notwendig, damit die Menschen mal wieder an etwas anderes als ihr Leid denken konnten.
Welche Rolle spielte die Kirche in der damaligen Zeit für dich?
Nach dem Krieg gab es viele, die den Glauben verloren hatten, andere hofften noch mehr auf Gottes Hilfe. Ich bin immer in die Kirche gegangen und habe gebetet, dass der Bruder meines Verlobten, der seit dem Krieg verschollen war, endlich zurückkehren würde, man wusste ja nichts. Schließlich tauchte er ganz unverhofft auf, stand einfach vor der Tür. Eine große Bedeutung hatte die Kirche für mich aber nicht.
Empfohlene Zitierweise:
Hillenbrand, Hedwig: Persönliche Erlebnisse in der Nachkriegszeit, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/hedwig-hillenbrand-persoenliche-erlebnisse-in-der-nachkriegszeit.html
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