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Helmut Beschke: Grausiges Festmahl im Kriegsgefangenenlager Suchumi

Dieser Eintrag wurde von Helmut Beschke (*1919) 2012 in Hanau verfasst.

Kriegsgefangenenlager Suchumi

Im Kriegsgefangenen-Lager Suchumi ging die Rede um, unbotmäßige Gefangene würden zu wochen- bis monatelanger Dunkelhaft in Einzelzellen verurteilt. Schon möglich, dass hier ein besonders scharfer russischer Kommandant zu drastischen Maßnahmen greift. [...]Einige von uns waren im Bergwerk beschäftigt, andere mussten Bretter und Balken für das Bergwerk beschaffen, ich selbst war lange Zeit mit Lore und Schaufel auf der Halde dabei, den Gesteinsschotter sinngemäß zu verteilen. 8 Stunden mit nacktem Oberkörper bei strahlender Sommersonne auf schwarzem Gestein schaufeln, Schienen verlegen, Loren entleeren, das macht Durst. 10 Liter Wasser hat jeder täglich getrunken.

Einige Kameraden hatten gehört, dass auf der anderen Seite des nahen Flusses ein kleines Schlachthaus war, in dem zu bestimmten Zeiten Schafe geschächtet wurden. Das Blut durfte dabei nicht verwendet werden, man könnte es bekommen und selber abends kochen oder braten. Sehr appetitlich klang das alles nicht, aber wir machten uns mit Kochgeschirren auf, der Fluss war nur knietief, bei der Sonnenhitze war man schnell wieder trocken, die verschüchterten Schafe lieferten ihr Blut (auch jetzt beim Schreiben wird mir schon schlecht dabei), und am Abend gab es ein grausiges Festmahl. Tatsächlich: Hinterher, als alles fast vergessen war, spürte man den Nahrungsschub und Vitaminstoß als unverhofftes Wohlbefinden.

Zur Person

Helmut Beschke (*26.8.1919) geht in Weißenfels an der Saale zur Schule. Nach Arbeitsdienst und Wehrdienst kämpft er im Zweiten Weltkrieg von Kriegsausbruch an als Soldat bei Feldzügen in Polen, Frankreich, Italien, der Sowjetunion und in der Ardennenoffensive. Er wird verwundet, studiert ein Semester Chemie in Jena, heiratet und kehrt zurück an die Front. Im März 1945 gerät er zunächst in amerikanische Kriegsgefangenschaft und durchläuft mehrere Lager in Frankreich: Foucarville, Voves und Attichy. Danach wird er in Deutschland der sowjetischen Armee übergeben und u.a. im ehemaligen KZ Sachsenhausen in Oranienburg festgehalten, bis er quer durch die UdSSR bis zum Kaukasus nach Wladikawkas und Kasbek gebracht. Anschließend kommt er in verschiedene Gefangenenlager in Georgien und Abchasien, bis zu seiner Entlassung in November 1949. Zurück bei seiner Familie in Jena arbeitet Beschke bei Jenapharm. 1953 gelingt ihm die Flucht aus der DDR in den Westen. Bis zur Pensionierung 1982 arbeitet er bei Degussa in der Forschung. Nach dem Tod seiner Ehefrau 2009 schreibt er an seinem Wohnsitz in Hanau seine Lebenserinnerungen auf.

Empfohlene Zitierweise:
Beschke, Helmut: Grausiges Festmahl im Kriegsgefangenenlager Suchumi, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/helmut-beschke-grausiges-festmahl-im-kriegsgefangenenlager-suchumi.html
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