Zeitzeugen > Nachkriegsjahre

Helmut Beschke: Krankheiten im Kriegsgefangenenlager in Misseri

Dieser Eintrag wurde von Helmut Beschke (*1919) 2012 in Hanau verfasst.

Verlegung nach Misseri

Im Herbst eine erneute Verlegung nach Misseri im jetzt abtrünnigen Abchasien. Diese Verlegungen und auch sonstige Wechsel der Leitung in einem Lager hatten oft gesundheitliche Folgen. Jeder neue Verantwortliche war daran interessiert, anfangs möglichst viele Kranke und Gebrechliche zu haben, um damit die Aufgaben klein zu halten und darüber hinaus später zu zeigen, wie gut er geführt hatte, weil am Schluss der Gesundheitsstand natürlich viel besser wurde. Die wahre Zahl der Unterernährten mit Ödemen hatte sich gewiss nicht geändert. In Misseri kam eine steigende Zahl Malaria-Kranker hinzu. Auf diese Weise bin ich dreimal Dystrophiker (mit Hunger-Ödemen) und einmal Malariakranker geworden und dann wieder genesen. Misseri war für uns ein besonderer Ort. Natürlich auch wegen der Malaria. Wer morgens um 7 Uhr Fieber hatte, blieb im Lager, alle anderen gingen zur Arbeit. Das Fieber kam oft gegen Mittag, dann lagen einige neben dem Arbeitsplatz mit Schüttelfrost im Rasen. Als Medikament gab es Atebrin, damit wurden manche Ausbrüche unterdrückt. [...]Das Lager bestand aus einer größeren Baracke mit Schlafsaal für etwa 60 Betten, die zu zweit übereinander gestellt waren, einem kleinen Aufenthaltsraum und einer Sanitätsstation. Daneben war eine zweite Baracke, die Küche, und schließlich die übliche Toilette, eine große Grube mit Brettern darüber. Sogar eine einfache Bedachung gehörte dazu. Dann natürlich ein großer Zaun um alles, mit einem Toreingang.

Zur Person

Helmut Beschke (*26.8.1919) geht in Weißenfels an der Saale zur Schule. Nach Arbeitsdienst und Wehrdienst kämpft er im Zweiten Weltkrieg von Kriegsausbruch an als Soldat bei Feldzügen in Polen, Frankreich, Italien, der Sowjetunion und in der Ardennenoffensive. Er wird verwundet, studiert ein Semester Chemie in Jena, heiratet und kehrt zurück an die Front. Im März 1945 gerät er zunächst in amerikanische Kriegsgefangenschaft und durchläuft mehrere Lager in Frankreich: Foucarville, Voves und Attichy. Danach wird er in Deutschland der sowjetischen Armee übergeben und u.a. im ehemaligen KZ Sachsenhausen in Oranienburg festgehalten, bis er quer durch die UdSSR bis zum Kaukasus nach Wladikawkas und Kasbek gebracht. Anschließend kommt er in verschiedene Gefangenenlager in Georgien und Abchasien, bis zu seiner Entlassung in November 1949. Zurück bei seiner Familie in Jena arbeitet Beschke bei Jenapharm. 1953 gelingt ihm die Flucht aus der DDR in den Westen. Bis zur Pensionierung 1982 arbeitet er bei Degussa in der Forschung. Nach dem Tod seiner Ehefrau 2009 schreibt er an seinem Wohnsitz in Hanau seine Lebenserinnerungen auf.

Empfohlene Zitierweise:
Beschke, Helmut: Krankheiten im Kriegsgefangenenlager in Misseri, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/helmut-beschke-krankheiten-im-kriegsgefangenenlager-in-misseri.html
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