Zeitzeugen > Nachkriegsjahre

Lenka Sowa: 40 Deutsche Mark - und nun?

Dieser Beitrag wurde von Lenka Sowa (*1920) im August 2002 in Hamburg verfasst.

Währungsreform am 20. Juni 1948

Nach langem Schlangestehen hatte ich am 20. Juni 1948 nun meine 40 DM in der Hand. An diesem Sonntag konnte ich allerdings nichts ausgeben. Am Montag, nach der Arbeit, fuhr ich mit der Straßenbahn von der Hallerstraße nach Wandsbek. Ich fuhr an vielen Schaufenstern vorbei. Die waren voll mit Waren aller Art, und an jeder Ecke waren Blumenkohlstände. Damit hätte man Hamburg pflastern können. Die Mitfahrer schimpften über die gehortete Ware. Einen Blumenkohl habe ich sicher gekauft, aber sonst hielt ich mich zurück.

Hochzeitsvorbereitungen

Mein Verlobter Fritz und ich bekamen in den ersten Wochen nur den halben Lohn ausbezahlt. Die Arbeitgeber hatten ja auch noch wenig Geld. Ich musste erst mal an die Hochzeitsvorbereitungen denken. Wir "mussten" heiraten, denn nur als Ehepaar bekamen wir den Mietvertrag.

Am 14. August sollte Hochzeit sein. Die Hauptlebensmittel waren noch auf Marken zu bekommen. Also wurden alle Gäste gebeten, Fleisch- und Fettmarken beizusteuern. Ein Ehepaar lehnte es ab: "Wenn es nicht zum Feiern reicht, dürft ihr auch keine Gäste einladen!" Wir feierten ohne sie. Alle anderen hatten ihre Marken abgegeben.

Die Kleidung wurde untereinander ausgeliehen. Ich hatte Schuhe und Mantel geborgt, Fritz die gesamte Oberbekleidung. Sieht man auf dem Hochzeitsfoto aber nicht.

Hochzeitsessen und -geschenke

Meine Schwester hatte die Hochzeit ausgerichtet. Es gab Gulasch, Bohnen und Kartoffeln, aus dem Garten dazu Gurkensalat, damals eine Seltenheit. Kuchen wurde in größeren Mengen gebacken und vertilgt. 10 Stücke pro Kopf waren normal, ein Gast brachte es sogar auf 20 davon. Es schmeckte, obwohl die Kuchen mit Kartoffeln verlängert waren. Zum Obstkuchen gab es falsche Schlagsahne. Rezept: Eiweiß mit zwei Löffeln Apfelmus und Zucker schlagen. Das Schlagen geschah mit zwei Gabeln in einer Hand und dauerte sehr lange, bis es eine feste Masse wurde. Abends gab es Kartoffelsalat und Matjes. Fritz hatte in einem Fischgeschäft gemauert und dafür Matjes bekommen. Es war eine schöne Familienfeier. Meine Geschwister waren alle gekommen und sogar mein Vater war dabei.

Hochzeitsgeschenke: Ein ausziehbarer Nähkasten (Handarbeit), Wäscheklammern aus Weidenholz geschnitzt, eine Fußmatte aus Flickenresten geflochten, zwei Aluminiumschüsseln aus Wehrmachtsbeständen und einige Stücke aus alten Haushaltsbeständen (Vasen, Glasteller u.s.f.).

Hausbau

Nun sollten wir endlich unser Behelfsheim ausbauen. Wann und womit? Gearbeitet haben wir beide damals noch bis Samstagmittag. Also blieben nur wenige Stunden am Wochenende. Auch davon ging noch die Fahrzeit Wandsbek - Neugraben ab. Wir bekamen nach der Hochzeit den vollen Lohn, aber zum Bauen reichte es auch nicht. Die Reserve auf dem Sparbuch war derzeit auf 180 DM geschrumpft. Die Bauerei machte keine Fortschritte. Da bekamen wir im Oktober 1948 einen neuen Vertrag. Das Häuschen sollte in acht Wochen fertig sein, und dann gäbe es eine Entschädigung von 1.700 DM. Ein Dachdecker wollte mit der Rechnung so lange warten. Nun war ein Dach da. Wir liehen uns Geld, um Fenster und Türen zu kaufen. Abfallholz und Fußbodenplatten besorgte der zukünftige Chef von Fritz. Er brauchte ihn als Maurer, um seine Firma zu gründen. Wasser- und Lichtanschluss wurden von der Dewoge übernommen. Inzwischen war November, und es fehlte nur noch der Fußboden. Mein Vater übernahm das Verlegen der Platten. Ein Geldgeber musste sein Geld zurück haben. Ein schon lange in fester Arbeit stehender Schulfreund von Fritz half uns beiden aus.

Für die Wohnküche ergatterten wir einen kleinen Herd. Autotransporte konnten wir uns aber nicht leisten. Der Herd und die Türen wurden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, U-, S- und Straßenbahn, transportiert. Anfang Dezember 1948 zogen wir schon ein, um Miete zu sparen, da der Mietvertrag erst ab 1. Januar 1949 galt.

Erster Winter im unbeheizten Haus

Wir froren in der kalten und noch nassen Wohnung, und der Herd war zu klein. Zum Glück stand noch irgendwo ein größerer im Keller und freute sich über eine Wiederbelebung und wir uns über die Wärme. Eine geschenkte Ente wurde knusprig-braun gebacken und verschönte uns beiden das erste Weihnachtsfest im eigenen Heim - 40 qm mit Herd und alten wurmstichigen "Troddelmöbeln".

Einmal war ich leichtsinnig geworden. Ich sah im Schaufenster ein kleines Radio, eine sogenannte Goebbelsschnauze, aber schon mit einem hellen Holzgehäuse, für 60 DM. Diesen Leichtsinn haben wir aber beide sehr genossen! Im Frühling 1949 konnten wir dann die Schulden bezahlen und noch einen Kleiderschrank erstehen.

Empfohlene Zitierweise:
Sowa, Lenka: 40 Deutsche Mark - und nun?, in: LeMO-Zeitzeugen, LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/lenka-sowa-40-dmark.html
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