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Werner Mork: Arbeitsamt und Entnazifizierung 1945

Dieser Eintrag wurde von Werner Mork (*1921) im Dezember 2008 in Kronach verfasst. Werner Mork schildert seine Erinnerungen in sechs Beiträgen.

Arbeitssuche nach Kriegsende

Nach Kriegsende 1945 war ich wie viele Menschen auf der Suche nach Arbeit. Bei meinem ersten "Besuch" im Arbeitsamt in Lesum wurde mir jedoch mein guter Mut und meine Bereitschaft zu arbeiten abrupt genommen. Ich hatte mich bei einem Herrn zu melden, der mich mit der Bemerkung "empfing", dass da wieder so einer von denen komme, denen man den langen Krieg zu verdanken habe, wieder so ein Kriegsfreiwilliger, so ein Nazi aus der Hitlerjugend.

Dieser "Empfang" verschlug mir schon reichlich die Sprache, solche Töne hatte ich nicht erwartet, zwar auch kein Hosianna voller Freude über einen Rückkehrer, aber nicht diese Art. Auf den Versuch eines Einwandes von mir, wurde mir kurz und bündig erklärt, dass ich gefälligst meinen Mund zu halten hätte. Ich kam mir schon reichlich sonderbar vor in dieser Situation. Bis vor kurzen hatte ich noch zu parieren und die Schnauze zu halten gegenüber den "Herren" beim Kommiss, mich auch still zu verhalten dem Staat und den Nazis gegenüber und jetzt, wo ich dachte nun ein freier Mann zu sein, der sagen darf was er will und möchte, da hatte ich schon wieder zu parieren und wieder die Schnauze zu halten, jetzt vor den Herren Antifaschisten, die nun die neuen Machthaber im zivilen Leben waren. Und diese Herren hatten ihre sehr eigene Meinung gegen die, die keine anerkannten Antifaschisten waren, die für sie noch immer als Nazi galten. So wie auch bei mir, weil ich an Hand der Papiere doch als ein Kriegsfreiwilliger erkannt wurde und somit ein echter Nazi-Jüngling war. Das war meine Schuld, die hing nun an mir und brachte mich in dieses ungute Bild.

Meine Bereitschaft, beim Neuaufbau aktiv mitzuhelfen und in einem Gespräch eine Klärung über meine Vergangenheit herbeizuführen, wurde von den Herren überhaupt nicht angenommen. Als ich dann noch sagte, dass ich mich schnellstens bei meiner alten Firma in Bremen um eine mögliche Wiederbeschäftigung bemühen wolle, wurde mir erklärt, dass ich nichts zu sagen und nichts zu erklären hätte. Ich hätte von mir aus nichts zu unternehmen, es sei jetzt erst einmal an der Zeit, dass einer wie ich das richtige Arbeiten kennen lerne, um dabei auch etwas von dem gutzumachen, was doch so einer wie ich, mit verschuldet habe.

Einsatz bei der Trümmerbeseitigung

Ich wurde nun zur Trümmerbeseitigung eingesetzt, zum Steine klopfen und zum Aufräumen. Mir wurde auch noch gesagt, dass diese "Tätigkeit" für längere Zeit zu verrichten sei, wobei auch noch die Entnazifizierung abgewartet werden müsse, um dann zu sehen, ob ich überhaupt eine andere Tätigkeit ausüben dürfe. Erst einmal müsse meine Nazi-Vergangenheit in der HJ gründlich durchleuchtet werden, was nun geschehen würde mit Hilfe eines dafür vorgesehenen Fragebogens der amerikanischen Militärregierung, den ich auszufüllen hätte. Wenn das alles erledigt sei und ich nicht als ein Belasteter gelten würde, dann könne man weitersehen. Im Vordergrund stünde erst einmal die notwendige "Reeducation" für solche Typen, wie ich einer war! Was mich bei dieser "Behandlung" restlos schockierte, war nicht der angeordnete Arbeitseinsatz, für den ich schon Verständnis hätte aufbringen können, wenn der mit anderen Worten angewiesen worden wäre, weil doch die Trümmerbeseitigung zum Wiederaufbau gehört, sondern die Art, mit der ich wie ein Verbrecher behandelt wurde. Das konnte ich nicht begreifen, schon gar nicht die Methode, mit der auch ich nun zu den Tätern zählte, den Schuldigen, den Unholden, den Nazi-Verbrechern und dabei auch noch zu einem der Bösewichte abgestempelt wurde, die mit dazu beigetragen haben, den Krieg zu verlängern.

Ich war mit den besten Absichten als ein gutmeinender, wenn auch unbedarfter junger Mann zum Arbeitsamt gegangen, in der Überzeugung, dort auf Menschen zu treffen, mit denen man reden könne, die zumindest etwas Verständnis für den Jüngling haben würden, die ihm wohl auch mit Rat und Tat helfen könnten, um einen neuen Anfang zu beginnen. Ich war ja bereit, mich den Männern dort zu offenbaren, Männern vor denen ich Respekt hatte, weil sie als "Linke" der SPD und der KPD ihrem sozialistischen Geist treu geblieben waren und nun eine sozialistische Demokratie aufbauen würden, dachte ich.

Ausgegrenzt

Aus ihrem Verhalten kam ich aber zu der Meinung, dass diese Antifaschisten, die nun auf dem Arbeitsamt in Lesum tätig waren, wohl nicht bereit waren, mit einem jungen Menschen überhaupt zu reden, weil der für sie ein Ex-Nazi war. Anscheinend waren sie mehr von Rache getrieben, als gewillt mit einem jungen Menschen ein Gespräch zu führen und dabei zu einem beiderseitigen Verständnis zu kommen. Sie taten nur eines, sie demonstrierten die Macht, die nun sie in ihren Händen hatten. Mit ihrem Verhalten hatten diese Herren doch nur wieder neue Gräben aufgerissen und keinen Weg eines für alle begehbaren Neuanfangs geschaffen. Wir, die Jungen, wurden regelrecht ins Abseits gestellt, wir waren Nazi-Subjekte und mit denen wollte man nichts zu tun haben, schon gar keine Gemeinsamkeiten auf einem neuen Weg. So fühlte ich mich als ein Ausgegrenzter, der als solcher auch keine möglichen Gemeinsamkeiten haben wollte.

Der mir befohlene Einsatzort für diesen Einsatz, war das Gebiet um das "Schönebecker Schloss", wo Berge von angefahrenen Steinen im freien Gelände gelagert waren, die nun fleißig "geputzt" werden mussten. Hier erlebte ich sofort bei Ankunft Teil 2 der zu erlernenden Lektion über das, was jetzt mein ziviles Dasein sein sollte und das war gleichzeitig auch ein neuer Schock. Ich musste mich bei dem "Aufsichtführenden" melden und wurde einer Gruppe von Männern zugeteilt, von denen ich den einen und anderen vom Sehen, aber auch persönlich kannte aus der Zeit vor dem Krieg im Raum Vegesack/Aumund. Tja, und diese "Herren" waren wirklich alte und echte Nazis gewesen, die nun aber schon wieder in einer neuen Solidargemeinschaft machten, als die der Unterdrückten und Gequälten, in der, für sie nun anderen Zeit. Ich stellte sehr schnell fest, dass ich mich fast ausschließlich unter lauter ehemaligen Nazis aus Bremen-Nord befand, die keinen Hehl machten aus ihrer unveränderten Einstellung, die nach wie vor vom NS-Geist geprägt war.

Sehr schwere Arbeit

Dass ich in dieser Umgebung wirklich ein Fremder war, merkte ich sehr deutlich am Verhalten dieser "alten Kameraden" mir gegenüber. Weil ich kein "Alt-Nazi" war, wurde ich von ihnen geschnitten und es gab sogar einige, die mich für einen eingeschleusten Spitzel hielten. Ich kam mir schon reichlich sonderbar vor unter diesen Männern, die nichts aus der Vergangenheit gelernt hatten und sich auch keiner Schuld hinsichtlich ihres eigenen Tuns in dieser Vergangenheit bewusst waren. Sie fühlten sich als unschuldige Opfer einer, aus ihren Augen sehr willkürlichen Siegerjustiz, ungerecht und ungerechtfertigt. Weil ich ein Fremder war in dem "Kreis", sorgten diese "Kameraden" dann auch dafür, dass ich möglichst die schwerste Arbeit zu verrichten hatte, was wohl der Ausdruck von Wut war, die man auch mich hatte, weil ich mich nicht so benahm, wie man es von mir erwartet hatte. Die Arbeit war sehr schwer, und keiner half mir, wenn ich damit nicht so richtig fertig wurde. Diese "Tätigkeit" konnte ich nicht sehr lange verrichten, meine angeschlagene Gesundheit machte nicht mehr und es kam zu einem schweren körperlichen Zusammenbruch. Bei meinem wirklich sehr schlechten Gesundheitszustand war das kein Wunder, das musste einfach so kommen. Ich war regelrecht kaputt und zerschlagen und an einem Abend geschah es in der Wohnung, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich noch auf den Beinen zu halten und brach zusammen.

Am nächsten Tag quälte ich mich mühsam zum Dr. Stöß, der mich sofort als total arbeitsunfähig für jede Art von schwerer Arbeit schrieb, dabei aber noch vermerkte, dass ich bis auf weiteres auch nicht für leichtere Arbeit einsetzbar sei. Und das musste nun auch das Arbeitsamt in Lesum kapieren und akzeptieren, man konnte mich nicht mehr bestrafen mit schwerer Arbeit. Nun war ich erst einmal ein Arbeitsloser mit nur wenig Aussicht und Hoffnung auf eine Tätigkeit, die mich in die Lage versetzen würde, endlich mein/unser neues Leben aufzubauen und (wieder) ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden.

Zur Person

Werner Mork wird am 3. Juli 1921 in Vegesack (Bremen) geboren. Er besucht die Volksschule. Der Besuch des Realgymnasiums bleibt ihm nach eigener Aussage aufgrund der gewerkschaftlichen Tätigkeiten seines Vaters verwehrt. Werner Mork macht eine Ausbildung zum Radioverkäufer. Ab 1940 leistet er Arbeitsdienst in Worpswede, anschließend ist er beim Militär in Hannover. Nach dem Zweiten Weltkrieg macht er sich mit einem Radiogeschäft selbstständig. Immer wieder ist er durch Krankheit beeinträchtigt. In den 1960er Jahren zieht er nach Kronach (Bayern), um dort bei Loewe zu arbeiten und geht schließlich im Alter von 63 Jahren in Rente.

Empfohlene Zitierweise:
Mork, Werner: Arbeitsamt und Entnazifizierung 1945, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/werner-mork-arbeitsamt-und-entnazifizierung-1945.html
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