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Werner Mork: Nach Kriegsende 1945: Neues Leben in neuem Umfeld

Dieser Eintrag wurde von Werner Mork (*1921) im Dezember 2008 in Kronach verfasst. Werner Mork schildert seine Erinnerungen in sechs Beiträgen.

Rückkehr aus der Gefangenschaft

Nach meiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft und der Ankunft bei meiner Frau Ilse in Lesum im Juli 1945 hatte ich nur den einen Wunsch, endlich auszuruhen und mich zu erholen in Ruhe und Geborgenheit, in einer glücklichen Gemeinsamkeit mit meiner jungen Frau. Das tun zu können in unserer eigenen Wohnung, erschien mir als ein großes Glück. Ich wollte erst einmal wieder ein Mensch werden in einem mir wohlwollenden Umfeld, ich wollte wieder gesund und kräftig werden, um dann zu sehen, wie ich mein/unser künftiges Leben gestalten könne und eine richtige Familie zu schaffen, die nicht nur aus Ilse und mir bestehen sollte.

Als kleines Häufchen Elend kam ich an, und das nun als eine Überraschung für meine Schwiegereltern, die sehr plötzlich - und "etwas" unerwartet - ein Familienmitglied mehr in ihrem Hause hatten, in dem sich auch ein "eingewiesenes" Flüchtlings-Ehepaar befand, das in dem Zimmer "wohnte", welches eigentlich unser Schlafzimmer war, die Kammer auf dem Boden, in der wir die Hochzeitsnacht verbracht hatten. Dieses Ehepaar war für die Familie van Doren keine reine Freude, und auch ich sollte noch Ärger bekommen mit den Leuten, die sehr "bestimmend" auftraten.

Ein sehr veränderter Mann

Ich war im Laufe der Kriegsjahre ein anderer, ein sehr veränderter Mann, ein fast anderes Wesen geworden. Besonders in den Monaten nach meinem letzten Urlaub, ab Januar 1945 hatte ich mich so verändert, dass ich nun wie ein Fremder auf Ilse wirkte. So wie ich jetzt war, hatte sie mich bisher nicht gekannt. Ich war schon lange nicht mehr der, der 1940 von ihr gegangen war, aber ich war ihr bis 1944 doch sehr vertraut geblieben. Aber die seit Januar 1945 vergangenen Monate hatten mich völlig verändert. Ich war durch das, was ich im Osten hatte durchmachen und erleben müssen, in meinem Inneren so mitgenommen und auch zerstört worden, dass ich nun Mühe hatte mit mir und dem Leben überhaupt noch klar zu kommen. Auch die wenigen Monate der Gefangenschaft waren nicht ohne Folgen geblieben auf mein Innenleben. Erschwerend war dabei, dass es in meinem Umfeld keinen Menschen gab, mit dem ich mich hätte im Gespräch austauschen können, um mir dabei Rat und Hilfe zu verschaffen und gedanklich unbelasteter zu werden. Wie sollte das auch möglich sein, kam ich doch aus einer völlig anderen Welt und stand nun in einer auch für mich ganz anderen Welt. Mein Erleben und die Folgen daraus, waren für viele andere nicht zu verstehen, nicht zu begreifen. Das war kein böswilliges Unverständnis, das war völlig normal, weil es kein einheitliches, kein gemeinsames Erleben gegeben hatte, schon gar nicht eine gemeinsame Notzeit mit gleichen Problemen. Wer sollte mich und meine Erlebnisse verstehen und den inneren Wandel begreifen, der mich zu einem anderen Menschen gemacht und mein einstiges Weltbild restlos zerstört hatte. Aber auch ich hatte natürlich Schwierigkeiten, das Erleben anderer Menschen zu verstehen, die unter anderen Verhältnissen im Krieg hatten "leben" müssen, wie z.B. meine Schwiegereltern aber auch meine junge Frau. Wir alle hatten uns in den Kriegsjahren verändert, wir alle lebten nicht mehr in der Welt der Jahre vor 1939. Aber wir alle sollten und mussten nun versuchen, miteinander auszukommen und verständnisvoll ein gemeinsames Leben zu führen, und das war und wurde sehr schwer.

"Bedürfnisse" der Soldaten

Meine Sorgen im Krieg waren, wie bei allen Soldaten doch nur die gewesen, den Krieg nicht nur zu überstehen, sondern möglichst mit heilen Knochen aus dieser Sch..... wieder herauszukommen. Für alle anderen Notwendigkeiten dieses Lebens als Soldat, hatte die "unendlich große Fürsorge" des Militärs gesorgt und wir hatten nur darauf achten müssen, auch immer in den "Genuss" dieser Fürsorge zu kommen, und die war für uns in erster Linie ausreichend zu essen und zu trinken, aber auch genügend zu rauchen zu haben! Auf diesen Level waren unsere Bedürfnisse beschränkt (worden), wurden die erfüllt, waren Soldaten zufrieden und willfährig, ganz besonders aber dann, wenn auch die "übrigen Bedürfnisse" erfüllt wurden, für die das Militär ja auch sorgte mit den entsprechenden Einrichtungen überall da, wo sich Soldaten befanden. Unsere Ansprüche an das Leben waren auf diese elementaren Bedürfnisse beschränkt und das war für Soldaten ja auch völlig ausreichend, die sollten keine weiteren Ansprüche stellen, sondern ihre Pflicht tun für das Vaterland! So lebten wir unser Dasein als Landser, nur belastet mit diesen "Sorgen." Von einem Bedürfnis nach Pflege von Geist und Bildung, sowie von wenigstens etwas Kultur konnte kaum eine Rede sein, wir lebten in einer Art von geistiger Primitivität.

Wiederaufbau

Jetzt, nach dem Krieg, wollte ich mithelfen bei dem Aufbau einer wahren und gut funktionierenden Demokratie, wollte mithelfen beim Aufbau eines neuen Deutschlands. Ich wollte mich nun den Sozialdemokraten zur Verfügung stellen, die sicher jetzt den Neuaufbau in ihre Hände nehmen würden. Der neue Staat könne und würde nur ein sozialdemokratischer Staat sein. Nur die Sozialdemokraten würden fähig sein, den Wiederaufbau durchzuführen, dabei einen sozialistischen Staat aufzubauen und den Menschen in diesem neuen Staat einen neuen Lebensmut geben. So dachte ich in meiner neuen Naivität.

Zur Person

Werner Mork wird am 3. Juli 1921 in Vegesack (Bremen) geboren. Er besucht die Volksschule. Der Besuch des Realgymnasiums bleibt ihm nach eigener Aussage aufgrund der gewerkschaftlichen Tätigkeiten seines Vaters verwehrt. Werner Mork macht eine Ausbildung zum Radioverkäufer. Ab 1940 leistet er Arbeitsdienst in Worpswede, anschließend ist er beim Militär in Hannover. Nach dem Zweiten Weltkrieg macht er sich mit einem Radiogeschäft selbstständig. Immer wieder ist er durch Krankheit beeinträchtigt. In den 1960er Jahren zieht er nach Kronach (Bayern), um dort bei Loewe zu arbeiten und geht schließlich im Alter von 63 Jahren in Rente.

Empfohlene Zitierweise:
Mork, Werner: 1945: Nach Kriegsende 1945: Neues Leben in neuem Umfeld , in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/werner-mork-nach-kriegsende-1945-neues-leben.html
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