Dieser Eintrag wurde von Werner Mork (*1921) im Dezember 2008 in Kronach verfasst. Werner Mork schildert seine Erinnerungen in sechs Beiträgen.
Nach Kriegsende 1945 mussten wir, die so genannten oder angeblichen "Mitläufer", zu unserem Teil an der Schuld stehen, auch wenn viele von uns das nicht wollten, nicht erkennen und nicht begreifen "konnten". Fast alle aus meiner Generation dachten zunächst kaum daran, dass wir selber doch wirklich nicht unschuldig waren an dem, was über uns und die Welt gekommen war. Wir sahen nur unsere jetzige eigene Not und waren dabei voller Wut auf die "großen" NS-Funktionäre, die das angerichtet hatten, die uns, die "Kleinen", in den Untergang "geführt" hatten. Unseren eigenen Anteil an dem Desaster wollten wir dabei nicht sehen.
Schuldig am Völkermord
Wir, die Überlebenden des Dritten Reiches waren jetzt von vielen Völkern und Menschen in aller Welt nur noch ein verachtetes Überbleibsel dieses Reiches. Wir wurden in der Gesamtheit als mörderisch und verbrecherisch gesehen, wir hatten den Frieden gebrochen und mutwillig und böswillig den Krieg gegen alle guten Menschen in der Welt angezettelt, wir waren die Schuldigen an diesem Völkermord und wir hatten den Massenmord an den Juden durchgeführt. Es war eine Negativ-Meinung gegen die Deutschen im Verlaufe des Krieges entstanden, die nach dem Krieg noch verstärkt wurde, als die Berichte und die Bilder über die KZ den Menschen in aller Welt deutlich machten, welche grauenhafte Massaker von den Deutschen verübt worden waren. In Deutschland selber wurden diese Berichte und die Bilder zum Teil mit Erschütterung zur Kenntnis genommen, weil sie wirklich nicht bekannt waren. Sie wurden aber auch von einem nicht geringen Teil des Volkes als eine propagandistische Kampagne der Alliierten angesehen, weil dieser Teil es einfach nicht glauben wollte und konnte, dass Deutsche solche Untaten und Verbrechen begangen haben sollten.
Persönliche Erschütterung
Ich selber war auch erschüttert über das, was nun über die Verbrechen bekannt wurde, die von Deutschen verübt worden waren. Aber ich gehörte nicht zu denen, die das in Zweifel zogen, die da meinten, Deutsche würden so etwas niemals getan haben. Ich sage, dass wir, die Deutschen, alle daran mitschuldig sind, nicht etwa, weil wir nichts dagegen getan haben, was ja auch kaum möglich war, sondern weil wir alle uns nicht anders verhalten hätten. Wir alle hätten allen Befehlen auch Folge geleistet und nicht nach der Rechtmäßigkeit gefragt, so es die denn überhaupt gegeben hätte. Wir alle waren bereit, alles zu tun, was uns von unserer Führung abverlangt wurde, die wir doch als rechtmäßig anerkannten, die für uns doch keine Gang von Verbrechern war. Insofern tragen wir, die wir damals lebten, auch Schuld an dem grausamen Geschehen, auch weil wir in der Mehrheit doch das akzeptierten, was mit den Juden im Reich geschehen war, vor unseren eigenen Augen. Weil wir uns dann auch nicht verweigert hatten, als die "Maßnahmen" gegen die Juden in Europa angeordnet und durchgeführt wurden und wir bereit waren, den entsprechenden "Befehlen" folgsam zu gehorchen! Dazu sollten wir uns doch bekennen und die Schuld nicht nur auf die schieben, die als direkte Täter die Verbrechen ausgeübt haben.
Besuch in der Heimat nach dem Krieg
Bei meinen Besuchen in meiner Heimat, in Aumund und in Vegesack, hatte ich mich in meinem alten Umfeld umgesehen und umgehört. Leider musste ich dabei erfahren, dass von meinen Schulfreunden und den übrigen Freunden ein großer Teil nicht mehr am Leben war. Sie waren "gefallen" für Führer, Volk und Vaterland, oder besser gesagt, sie waren verreckt bzw. elendig krepiert im Wahnsinn des Krieges. Zu diesem Schmerz kam aber auch die Erkenntnis, dass es für mich kaum jemals wieder Beziehungen geben wird zu den altvertrauten Freunden und Bekannten meines alten Umfeldes, auch wenn die noch am Leben sein würden. Ich gehörte nicht mehr zu der Umwelt, die ich 1940 verlassen hatte, ich war eigentlich sogar ein Fremder geworden in dieser Welt. Aber abgesehen davon, war nun eine Zeit "ausgebrochen", in der es sowieso keine Vergnügungen mehr gab, die Zeit war nicht nur bitterernst geworden, sie war auch trostlos in jeder Hinsicht, und alle waren nur noch beherrscht von der Sorge um die eigene, die buchstäblich nackte Existenz.
Zur Person
Werner Mork wird am 3. Juli 1921 in Vegesack (Bremen) geboren. Er besucht die Volksschule. Der Besuch des Realgymnasiums bleibt ihm nach eigener Aussage aufgrund der gewerkschaftlichen Tätigkeiten seines Vaters verwehrt. Werner Mork macht eine Ausbildung zum Radioverkäufer. Ab 1940 leistet er Arbeitsdienst in Worpswede, anschließend ist er beim Militär in Hannover. Nach dem Zweiten Weltkrieg macht er sich mit einem Radiogeschäft selbstständig. Immer wieder ist er durch Krankheit beeinträchtigt. In den 1960er Jahren zieht er nach Kronach (Bayern), um dort bei Loewe zu arbeiten und geht schließlich im Alter von 63 Jahren in Rente.
Empfohlene Zitierweise:
Mork, Werner: Unsere Verantwortung für das Dritte Reich, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/werner-mork-verantwortung.html
Zuletzt besucht am: 05.11.2024