Mit dem Passierscheinabkommen vom 17. Dezember 1963 gelingt es in Berlin erstmals, die Mauer durchlässiger zu machen. 28 Monate nach dem Mauerbau können West-Berliner über Weihnachten 1963 wieder ihre Verwandten im Ostteil der Stadt besuchen. Vom 19. Dezember bis zum 5. Januar kommen etwa 1,2 Millionen Besuche von insgesamt über 700.000 West-Berlinern zustande. Insgesamt handeln Vertreter des West-Berliner Senats und der DDR "ungeachtet der unterschiedlichen politischen und rechtlichen Standpunkte" von 1963 bis 1966 vier Passierscheinabkommen aus, die teilweise noch größere Besucherzahlen zur Folge haben.

Die Bundesregierung und der West-Berliner Senat betonen, dass "der Rechtsstatus von Berlin durch diese Vereinbarung nicht geändert wird". Die Anträge auf Passierscheine werden von Mitarbeitern der DDR-Post bearbeitet, die zwar staatliche Bedienstete sind, jedoch keine Hoheitsträger wie Polizei- oder Zollbeamte. Die Bundesrepublik betrachtet die Passierscheinabkommen daher als verwaltungstechnische Vereinbarung und sieht in ihnen keine Anerkennung der DDR. Das SED- Regime bemüht sich hingegen, die Abkommen als völkerrechtliche Verträge erscheinen zu lassen.

Als die DDR 1966 jedoch einsehen muss, dass die Passierscheinabkommen weder ihre Anerkennung noch die geforderte Behandlung West-Berlins als selbstständige politische Einheit fördern, lehnt sie weitere Abkommen auf der bisherigen Grundlage ab. Lediglich eine Passierscheinstelle für dringende Familienangelegenheiten bleibt bestehen. Erst das Viermächte-Abkommen über Berlin von 1971 ermöglicht den Bewohnern von West-Berlin wieder regelmäßig den Besuch des Ostteils der Stadt.

(ag) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.05.2003
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas: Passierscheinabkommen, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/neue-ostpolitik/passierscheinabkommen.html
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