Die Massendemonstrationen der friedlichen Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) beschleunigen den Machtzerfall des SED-Regimes maßgeblich. Sie tragen auch zum Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 bei. Dies ermöglicht nach über vierzig Jahren die Überwindung der Teilung und die Einheit Deutschlands 1990. Die Einheit ist Teil der Veränderungen, mit denen der Ost-West-Konflikt ("Kalter Krieg") endet. Das geeinte Deutschland steht vor der Herausforderung, die Folgen der Einheit und der neuen Weltordnung zu bewältigen.
Zusammenbruch der SED-Diktatur
Das kommunistische Regime in der Sowjetunion leitet Mitte der 1980er Jahre Reformen ein, um der schlechten Wirtschaftslage und der Unzufriedenheit der Menschen zu begegnen. Andere kommunistisch regierte Staaten in Osteuropa folgen diesem Beispiel. Das SED-Regime in der DDR unter Parteichef Erich Honecker lehnt Veränderungen jedoch ab. Unzufriedene Ostdeutsche bilden Oppositionsgruppen, die Reformen und demokratische Freiheiten fordern. Sie decken im Mai 1989 Fälschungen der Kommunalwahl auf und versammeln sich zu Montagsdemonstrationen. Mehr und mehr Menschen schließen sich den Protesten an. Zugleich verlassen Ostdeutsche aus Unzufriedenheit massenhaft die DDR in Richtung Westen. Das SED-Regime reagiert auf Massenflucht und wachsenden Protest mit der Ablösung Honeckers, mit Reformversprechen und Zugeständnissen wie der Gewährung von Reisefreiheit. Dies führt zur Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989. Das SED-Regime bricht kurz darauf zusammen und die DDR-Regierung unter Hans Modrow sucht am „Runden Tisch“ Gespräche mit der Opposition. Gemeinsam vereinbart man die Auflösung der Staatssicherheit und freie Volkskammerwahlen. Die Mehrheit der Ostdeutschen fordert nun die Einheit Deutschlands.
Weg zur Einheit
Im Westen spricht sich Bundeskanzler Helmut Kohl für eine schnelle Wiedervereinigung aus, im Osten siegen deren Befürworter im März 1990 bei der Freien Volkskammerwahl. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière und die Bundesregierung verhandeln miteinander über die Deutsche Einheit. Sie führen auch Gespräche mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, die seit 1945 das Recht haben, über „Deutschland als Ganzes“ zu entscheiden. Mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion übernimmt die DDR am 1. Juli 1990 das westdeutsche Wirtschaftssystem und führt die D-Mark als Währung ein. Der im September geschlossene Zwei-plus-Vier-Vertrag regelt die außenpolitischen Bedingungen der Deutschen Einheit. Der am 3. Oktober 1990 in Kraft tretende Einigungsvertrag vollendet die Einheit Deutschlands.
Baustelle Deutsche Einheit
Die staatliche Einheit verändert Deutschland grundlegend und stellt es vor große Herausforderungen. Berlin ist wieder Hauptstadt. 1991 beschließt der Bundestag den Umzug aller Regierungsorgane nach Berlin, der zehn Jahre später abgeschlossen ist. Die Umstellung der ostdeutschen Wirtschaft auf marktwirtschaftliche Bedingungen ist schwierig und teuer. Viele ehemalige Volkseigene Betriebe der DDR sind marode und arbeiten unproduktiv. Die Treuhandanstalt privatisiert rund 6.000 Unternehmen und legt 3.700 still. Millionen von Ostdeutschen verlieren ihre Arbeit und sorgen sich um ihre Zukunft. Auch der Aufbau einer modernen Infrastruktur, wie Straßen, Schienen und Telefonnetz, im Osten ist kostenintensiv. Zur Finanzierung der Einheitskosten führt die Bundesregierung 1991 einen Solidaritätsbeitrag ein. Die Bundeswehr muss als „Armee der Einheit“ die Übernahme von Personal und Material der Nationalen Volksarmee der DDR bewältigen, im Osten Strukturen neu aufbauen und zugleich abrüsten. Gemäß dem Zwei-plus-Vier-Vertrag verlässt die russische Armee Ostdeutschland 1994 und auch die Westalliierten reduzieren nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ihre in Deutschland stationierten Truppen. Die Deutsche Einheit verändert auch das Parteiensystem. Innenpolitisch strittig ist in den 1990er Jahren, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) beendet 1998 die 16-jährige Kanzlerschaft Helmut Kohls (CDU). Sie verspricht Reformen und setzt Wirtschaftsliberalisierungen fort. Das Zusammenwachsen von Ost und West erweist sich als langwieriger Prozess. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur tritt mit der Deutschen Einheit zur Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Rechtsextremismus hinzu.
Internationale Herausforderungen
Das vereinte Deutschland vertieft als Mitglied der Europäischen Union (EU) seit 1993 die Zusammenarbeit mit seinen europäischen Nachbarn, bereitet als „Motor“ die gemeinsame europäische Währung vor und trägt die Erweiterungen von EU sowie NATO mit. Neue außenpolitische Verantwortung übernimmt die Bundesrepublik durch die Teilnahme an internationalen Einsätzen zur Friedenssicherung. Der Kosovo-Einsatz der Bundeswehr 1999 ist schließlich der erste Kampfeinsatz der Bundeswehr. Das geeinte Deutschland nimmt eine starke Position im Welthandel ein.
(mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 08.03.2023
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Würz, Markus: Deutsche Einheit, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/deutsche-einheit.html
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