Karl-Eduard von Schnitzler 1918 - 2001

  • 1918

    28. April: Karl-Eduard Richard Arthur Gerhard von Schnitzler wird in Berlin als jüngster Sohn des königlich-preußischen Legationsrates Julius Eduard von Schnitzler geboren.

    Nach eigenen Angaben gehört einer seiner Vetter zu den wichtigsten Bankiers Adolf Hitlers.

    In dessen Haus findet die Begegnung zwischen Franz von Papen und Hitler am 4. Januar 1933 statt, bei der die Bildung der späteren Hitler-Regierung besprochen wird.

    Ein weiterer Vetter ist Verkaufsdirektor des IG-Farbenkonzerns. Seine Unterschrift findet sich auf Lieferverträgen für Zyklon B, dem Giftgas für die Konzentrationslager.

  • 1932

    Eintritt in die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ). Schnitzler beginnt sich intensiv mit dem Kommunismus auseinanderzusetzen.

  • 1937-1939

    Nach dem Abitur in Köln studiert Schnitzler kurzzeitig Medizin in Freiburg/Breisgau. Später absolviert er eine kaufmännische Lehre in Köln und ist Inhaber einer Speditionsfirma.

  • 1939-1944

    Soldat im Zweiten Weltkrieg. Schnitzler wird während des Russlandfeldzuges am Knie verletzt.

  • 1944

    Juni: Britische Gefangenschaft.

    10. Juni: Schnitzler spricht seinen ersten Kommentar für den Rundfunksender BBC in London.

    Er wird verantwortlicher Redakteur für die BBC-Sendung "Hier sprechen deutsche Kriegsgefangene zur Heimat", die täglich 30 Minuten ausgestrahlt wird.

  • 1945

    Schnitzler wird bevorzugt aus der britischen Gefangenschaft entlassen und nach Deutschland geschickt. Er wird Kommentator beim Rundfunk in der britischen Besatzungszone, dem Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Hamburg.

    Schnitzler nimmt Kontakt zur sowjetischen Besatzungsmacht in Karlshorst auf.

  • 1946

    1. Januar: Schnitzler wird amtierender Intendant und Leiter der politischen Abteilung des NWDR in Köln. Aufgrund seiner kommunistischen Einstellung gerät er in Konflikt mit der britischen Besatzungsmacht.

  • 1947

    Der britische Chefcontroller versetzt Schnitzler zurück zum NWDR nach Hamburg. Die Spannungen zwischen den britischen Vorgesetzten und Schnitzler aufgrund seiner politischen Denk- und Arbeitsweise führen schließlich zu seiner fristlosen Entlassung.

    März: Schnitzler erklärt in einem offenen Brief: "Anstatt Objektivität, Fortschritt und Frieden zu dienen, hat der NWDR Partei ergriffen und ist eine Bastion gegen den Osten geworden".

    Übersiedlung in die sowjetische Besatzungszone (SBZ).

    Dort wird er beim "Berliner Rundfunk" und Deutschlandsender tätig. Er trifft Markus Wolf, den Kommentator des "Berliner Rundfunks".

  • seit 1948
  • 1951

    Besuch der Parteihochschule. Schnitzler schreibt das Drehbuch zu dem Dokumentarfilm "Der Weg nach oben".

  • 1952

    Leiter der Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees und später Chefkommentator des DDR-Fernsehens.

  • 1956

    Autor des Drehbuches zu dem Film "Du und mancher Kamerad". Auszeichnung mit dem Nationalpreis 2. Klasse als Kollektiv-Auszeichnung.

  • 1957/58-1967

    Schnitzler übernimmt den Vorsitz der Diskussionsrunde "Treffpunkt Berlin", einer politischen Fernsehdiskussion mit westlichen Journalisten. Zuvor war die Runde als Rundfunkbeitrag unter der Leitung von Markus Wolf gesendet worden.

  • 1958

    Auszeichnung mit der Friedensmedaille.

  • 1960

    21. März: Die erste Sendung von "Der schwarze Kanal", bei der Schnitzler Autor und Moderator ist, wird im DDR-Fernsehen ausgestrahlt.

    Er leitet sie mit folgenden Worten ein: "Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer; aber statt auf Rieselfelder zu fließen, wie es eigentlich sein müsste, ergießt er sich Tag für Tag in hunderttausende westdeutsche und westberliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt: Der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen."

    Die 20-minütige Sendung wird fortan jede Woche am Montag Abend ausgestrahlt. In der Sendung werden Ausschnitte aus westlichen Nachrichten, Reportagen und Polit-Magazinen ausschnittweise gezeigt und von Schnitzler besprochen. Dabei sitzt er jeweils allein vor der Kamera und kommentiert die einzelnen Bildausschnitte mit aggressiver Polemik, scharfer Zunge und rücksichtsloser, auch persönlich angreifender Argumentationsweise, was ihm den Spitznamen "Sudel-Ede" einträgt.

  • 1961

    Schnitzlers Kommentar zum Mauerbau am 13. August lautet: "Die Falltür West-Berlin ist dicht gemacht worden. Die auf das Herz der DDR gerichtete Lanzenspitze ist umgebogen."

  • 1967-1989

    Mitglied des Zentralvorstandes des Verbandes deutsche Journalisten/Journalisten der DDR (VDJ).

  • 1968

    Die Beteiligung der DDR-Streitkräfte an der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei bezeichnet Schnitzler als "brüderlichen Beistand".

  • 1978

    Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens in Gold.

  • 1978-1989

    Mitglied des Zentralvorstandes der Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft (DSF).

    Vorsitzender des Rats der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg.

    Auszeichnung mit dem Preis "Goldener Lorbeer" des Fernsehens.

  • 1989

    "Der Schwarze Kanal" zeigte sich von der friedlichen Revolution in der DDR unbeeindruckt. Für Schnitzler ist die Bürgerbewegung in der DDR vom Westfernsehen organisiert, um die Struktur des ostdeutschen Staates von innen auszuhöhlen.

    Unter den Teilnehmern der Montagsdemonstrationen wird der Ruf laut "Schnitzler in den Tagebau" oder "Schwarzer Kanal, heut zum letzten Mal".

    30. Oktober: Die letzte Sendung "Der schwarze Kanal" wird ausgestrahlt. Schnitzler verabschiedet sich mit den Worten: "In diesem Sinne werde ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen, als Waffe im Klassenkampf zur Förderung und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes. Und in diesem Sinne, meine lieben Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: Auf Wiedersehen."

    Nach eigenen Angaben fühlt er sich als Opfer, als leichtfertig vorverurteilter Sündenbock einer Gesellschaft, die seine Ideale plötzlich als antiquiert und überholt betrachtet.

    Nach Abschluss seiner Fernsehkarriere kommentiert Schnitzler seinen Abgang mit folgenden Worten: "Einige mögen jubeln, wenn ich diese Fernseharbeit nun auf andere Weise fortsetze. Nicht dass ich etwas zu bereuen hätte; der Umgang mit der oft unbequemen Wahrheit ist schwer, aber er befriedigt".

    Veröffentlichung der Autobiografie "Meine Schlösser oder Wie ich mein Vaterland fand."

    November: Trotz der deutlichen Kritik am "Schwarzen Kanal" zeigt Schnitzler keine Reue, sondern bezeichnet die Sendung als "Hygiene im Äther", mit der er dazu beitragen wollte, der "Hetze" der westlichen Medien gegen den Sozialismus etwas entgegenzusetzen.

    Schnitzler schreibt für das KPD-Parteiblatt "Rote Fahne".

    Dezember: Schnitzler schreibt unter der Rubrik "Roter Kanal" für das Satiremagazin "Titanic".

  • 1990

    Die SED/PDS leitet ein Parteiverfahren gegen Schnitzler ein. Schnitzler tritt daraufhin aus der Partei aus und wird Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

  • 1991

    Schnitzler äußert in der Wochenzeitschrift "Spiegel" die Meinung, der "zurückgeworfene Sozialismus (sei) dem Kapitalismus überlegen" und werde "im nächsten Jahrhundert die Oberhand gewinnen".

  • 1992

    Veröffentlichung des Buches "Der rote Kanal. Sichten und Einsichten."

  • 1994

    Veröffentlichung der Schrift "Provokation", die mit dem Satz beginnt: "Die Deutsche Demokratische Republik war das Beste, was in der Geschichte den Deutschen, den Völkern Europas und der Welt aus Deutschland begegnet ist".

  • 2001

    20. September: Karl-Eduard von Schnitzler stirbt in Zeuthen bei Berlin an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

(nc/iz/reh) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.08.2016
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Chmura, Nadine/Haunhorst, Regina/Zündorf, Irmgard: Biografie Karl-Eduard von Schnitzler, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/karl-eduard-von-schnitzler.html
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