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Barbara M.: Studieren in der DDR

Dieser Beitrag wurde von Barbara M. (*1955) 2019 in Heilbronn verfasst.

Studienplatzlenkung

Meine Zwillingsschwester erlernte den Beruf der Apothekenfacharbeiterin, gehörte damit zur Arbeiterklasse und erhielt nach Abitur 1976 an der Leipziger Volkshochschule einen Medizinstudienplatz in Jena. Nach erfolgreichem Medizinstudium und Promotion arbeitete sie als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie in Dresden, Coswig und Wien.

Mit gutem Abitur am Thomas-Gymnasium 1974 galt ich durch den Arztberuf unseres Vaters hingegen weiterhin als sogenanntes Intelligenzler-Kind mit Kirchenzugehörigkeit und wurde bei staatlicher Studienplatzlenkung der DDR, trotz Pionieren, FDJ und Jugendweihe, fürs Leipziger Medizinstudium abgelehnt. Mit mathematisch-physikalischen Interessen ließ ich mich auf ein vierjähriges Studium der Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule „Carl Schorlemmer“ Leuna-Merseburg umlenken. Viel Freude erlebte ich bei einer Kirchenfreizeit im Sommer 1974 mit [dem Pfarrer und Religionslehrer] Otto Drephal und Thomanern [Anm. d. Red.: Schülerinnen und Schüler der Leipziger Thomasschule] in Röbel an der Müritz, auch mit Mitschüler und späterem Thomaskantor Christoph Biller.

Nach gutem Leipziger Thomas-Abitur freute ich mich auf die große Freiheit, mein Leben außerhalb des Elternhauses und die Studentenzeit. Mit zwei „Roten Wochen“ begann ich als umgelenkte Studentin das Ingenieurstudium, an dem ohne technisches Talent schnell Zweifel aufkamen. […] Als sich Alternativen und Hochschulwechsel nach Dresden zerschlugen, setzte ich mein Studium ohne Begeisterung fort […].

Freiheit in der Evangelischen Studentengemeinde

In meiner Studentenzeit interessierte mich die Evangelische Studentengemeinde mit Pfarrer Friedrich Schorlemmer weit mehr als Vorlesungen, Seminare, Klausuren [oder] Prüfungen. Vielleicht war die interessante Studentengemeinde meine Kraftquelle fürs Durchhalten der für mich unpassenden Studienrichtung. Ohne technisches Talent [und] mit schlechten Vornoten meisterte ich meine Diplomarbeit mit Note 1 […].

Mit großer Freude erlebte ich ein Treffen der Merseburger Studentengemeinde mit Studenten aus Bonn-Beuel in den Masuren, das Friedrich Schorlemmer 1975 heimlich organisierte.

Urlaub in Budapest

Gern erinnere ich mich an meine Urlaubsreise mit Schwester Christiane nach Budapest. Meine Mutter übergab mir 1978 die Verantwortung für meine 18-jährige Schwester. Nach sonnigen Ferientagen trampten wir [die Strecke] Budapest – Leipzig abenteuerlich zurück. Ein Nürnberger Mercedes-Fahrer nahm uns junge Mädchen mit und ich durfte mit neuem Führerschein sein West-Auto steuern. Ich erzählte, dass mein Vater Arzt in Leipzig ist und einen Trabant fährt. Er meinte: „Würde Ihr Vater in Westdeutschland arbeiten, dann wäre ihm dieser Wagen zu klein!“

Zur Person

Barbara M. wird 1955 in Leipzig geboren. Dort legt sie 1974 an der Erweiterten Oberschule Thomas (Thomasschule) ihr Abitur ab. Da ihr das Wunschstudienfach Medizin verwehrt wird, studiert sie zwischen 1974 und 1978 Verfahrenstechnik an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg und schließt das Studium als Diplom-Ingenieurin ab. Anschließend arbeitet sie im VEB Elektrotechnik Dresden sowie im VEB Getreidewirtschaft Dresden. Sie heiratet und bekommt zwei Kinder. Im Mai 1990 zieht sie mit ihrer Familie von Dresden nach Hannover und im Jahr darauf nach Heilbronn. Nach ihrer Elternzeit absolviert sie 1994/95 eine Umschulung zur Industriefachwirtin und arbeitet in diesem Beruf für verschiedene Firmen im Heilbronner Umland. 2018 geht sie in Rente und ist seitdem in verschiedenen Ehrenämtern aktiv. Barbara M. lebt mit ihrem zweiten Mann weiterhin in Heilbronn.

Empfohlene Zitierweise:
M., Barbara: Studieren in der DDR, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/barbara-m-studieren-in-der-ddr.html
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