Dieser Eintrag stammt von Edith Stampe (*1930), Hamburg, August 2002
Mein Mann war 25 Jahre und ich 21 Jahre, die Eltern meines Mannes waren zuletzt noch ausgebombt und wohnten im Schrebergarten. Mein Mann war die letzten 2 Jahre des Krieges noch eingezogen worden, und da die Eltern kein richtiges zu Hause mehr hatten, war es für den Sohn selbstverständlich, den Eltern zu helfen. Da mein Mann seine Ausbildung als Schiffbauer nicht beenden konnte, wurde er nach dem Krieg Fernfahrer.
Wohnungssuche nach der Heirat 1951
Wir haben 1951 geheiratet, Geld hatten wir nicht und eine Wohnung zu finden war gleich null. Vielleicht mit viel Abstand, so nannte man es damals, den hatten wir nicht, aber 1 Zimmer war schon eher möglich. Da mein Mann als Fernfahrer leider nicht immer greifbar war, musste ich alleine bzw. mit meiner Mutter die angebotenen Zimmer besichtigen. Einmal hatte ich ein schönes großes Zimmer in der Lessingstraße. In Altona hinter dem Gymnasium, nette Wirtsleute, leider konnte ich es nicht alleine entscheiden, und als mein Mann nach 6 Wochen zurückkam, da war das schöne Zimmer weg.
Ein Zimmer in der Löfflerstraße war ein Kuriosum, da war eine Scheibe zwischen dem Zimmer und der Küche der Vermieterin, und sie meinte dann, da kann man ja eine Gardine vorhängen. Außerdem gab es gleich Verhaltensregeln, wie z.B. 4 Rollen Toilettenpapier in der Woche müssten von uns kommen!
Das nächste war in der Tarpenbekstraße, das war ein Block der Konsumgenossenschaft der Produktion - wie es in Hamburg hieß. Da sagte die Dame, wenn sie sich unterhalten wollen, dann dürfen sie mit ihrem Stuhl auf dem Flur sitzen!
"Der reinste Horror"
Wir haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, wir haben dann in Bahrenfeld 1 Zimmer bei der Schwiegermutter meiner Schwägerin bekommen, denn meine Schwägerin (3 Kinder) bekam vom Altonaer Spar- und Bauverein eine Wohnung. Die Schwiegermutter meiner Schwägerin wusste nachher in unseren Privatangelegenheiten besser Bescheid wie wir, sie saß nämlich immer auf dem Flur und hörte, was bei uns geschah. Außerdem war ja alles immer mit "sogenannter Küchenbenutzung", das war sowieso der reinste Horror.
Doppelhaushälfte mit Plumpsklo auf dem Hof
Dann hat ein Kollege meines Mannes, der in Flottbek ein Haus hatte, uns in einer Doppelhaushälfte Küche und Stube besorgt, dann mussten wir oben alles abdichten, denn unten wohnte ja auch eine Familie. Es gab auf dem Hof ein Plumpsklo, dass eigentlich umschichtig sauber gemacht werden sollte, aber meistens machte es mein Mann sauber und entsorgte es im Garten. Wenn wir zu frustriert waren, dann gingen wir schon mal ins Landhaus-Kino, um die Toilette aufzusuchen! Ja, das waren Zeiten!!
Irgendwann bekamen wir dann von der "Produktion", wo mein Mann inzwischen als Kraftfahrer arbeitete, 2 Zimmer und Küche in Barmbek, da sollten wir noch einen Untermieter übernehmen, außerdem sollten wir gleich Gardinen aufhängen, damit nach außen hin keiner merkt, dass hier evtl. eine Wohnung frei war. In Ermangelung eines Tapeziertisches lagen die eingekleisterten Tapetenbahnen auf dem Fußboden, und dann kam Besuch, und der kleine Uwe tappte ganz vergnügt über die Bahnen. Da gab es dann eine Pause, und wir haben erst mal einen schönen Kaffee gekocht.
Ja, so war das, heute kaum mehr nachvollziehbar. Einmal habe ich auf dem Wohnungsamt, weil ich so deprimiert war, gesagt: "Ich denke in Ohlsdorf (unser Friedhof) gibt es eher einen Platz für uns, wie eine Wohnung von Ihnen."
Empfohlene Zitierweise:
Stampe, Edith: Wohnungssuche 1951, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/edith-stampe-wohnungssuche.html
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