Zeitzeugen > Geteiltes Deutschland: Gründerjahre

Fritz Schleede: Die neue Wohnung

Dieser Eintrag wurde von Fritz Schleede (*1927) im November 2003 in Hamburg verfasst. Der Beitrag entstand im Rahmen des Projekts "Interessengruppe Senioren Schreiben und Lesen" des Seniorenbüros Hamburg.

Wir waren neugierig und wollten wissen, wo unsere neue Wohnung ist. Mit der Straßenbahn ging die Fahrt quer durch Hamburg, von Lurup nach Horn. Aber wo ist Nummer 180? Wir sind dann eine Haltestelle zu früh ausgestiegen und mußten ein Stück zu Fuß gehen. Zuerst waren wir enttäuscht, weil es die Nummer 180 nicht gab. Nach 178 kam 182. Erst dachten wir, der Makler hatte uns betrogen. Aber das konnte nicht angehen. Er hatte kein Geld von mir verlangt. Erst wenn wir einziehen, sollten wir 10 DM bezahlen, dafür erledigt er für uns die Wege bei den Behörden. Also mußte was anderes falsch sein. Wir gingen langsam die Straße entlang und sahen einen Bauzaun. Ob da das Haus gebaut wird? Dann war nur die Hausnummer falsch. In der Baugrube arbeitete ein Mann, den fragten wir. "Nix weiß, fragen Frau!" und zeigte auf die Holzbude, die vorne an der Straße stand. Die Frau stand in der Tür und wir fragten sie, ob sie weiß, wer der Makler von dem Bau ist. "Weiß ich nicht." Erstmal waren wir enttäuscht. Dann sagten wir so nebenbei, daß ein Makler uns eine Wohnung zugesagt hat, im Mitteleingang 1. Etage. "Wie heißt denn der Makler?" fragte die Frau. "Danger." - "Dann ist das hier richtig", sagte sie. Wir hatten einen Fehler gemacht, als wir sie nach dem Makler fragten. Sie hatte mit ihm abgemacht, daß sie nicht seinen Namen sagt, weil die Leute ihm die Bude einlaufen. Dann fragte sie, ob wir Kinder haben. Wir sagten: "Zwei." - "Das ist auch genug", war ihre Antwort und es folgten noch Fragen über uns, die wir ihr beantworteten. Am Schluß sahen wir uns noch die Baustelle an. Es war nur ein großes Loch, in dem der Kellerboden aus Beton geschüttet wurde. Es war der Anfang von dem Haus, in dem unsere neue Wohnung entsteht.

Aus dem Einzug im Oktober wurde nichts. Es wurde April 1956. Es war ein kalter Winter, der bis Februar andauerte und die Handwerker konnten lange nicht arbeiten. Aber wir sind immer wieder mal hingefahren. Schon als die Mauern im Parterre standen, habe ich die Zimmer ausgemessen und eine Zeichnung gemacht. So konnten wir schon überlegen, was wir noch an Möbeln brauchten, denn in das Gartenhaus konnten wir nur ein Bett, einen Stuhl, einen Kleiderschrank und eine Kommode stellen.

Zur Person

Die Zeitzeugen Margarete (*1926) und Fritz Schleede (*1927) erzählen in drei Teilen von der schwierigen Wohnungssituation in der Bundesrepublik und ihrer Wohnungssuche 1952, 1955 und 1956.

Empfohlene Zitierweise:
Schleede, Fritz: Die neue Wohnung, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/fritz-schleede-die-neue-wohnung.html
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