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Luise Schneider: Mein Arbeitsleben in der Textilfabrik

Dieser Beitrag wurde von Luise Schneider (*1938) aus Werdau (Sachsen) im Jahr 1997 verfasst.

Im Jahr 1952 erlernte ich den Beruf eines Tuchmachers. Ab 1955 arbeitete ich dann als Weberin in dem Crimmitschauer Textilbetrieb Gebr. Pfau. Es war ein Privatbetrieb. Es blieb aber nicht beim Weben, denn ich hatte ja auch das Schären von Ketten, Zwirnen, Spulen, Fachen und die gesamte Webereivorbereitung gelernt. Da musste ich nun überall mal aushelfen. Ich lernte dann noch die Bruttolohnrechnung für mehrere Abteilungen. 1978 wurde ich als Verantwortliche für Webereivorbereitung eingesetzt. Von 1980-86 war ich Leiterin der Abteilung Weberei und Kettschärerei. Im Jahr 1972 wurde unser Betrieb halbstaatlich, unter unserem alten Chef und dem Namen "Modetuche". 1976 wurden wir verstaatlicht und kamen zu den "VEB Volltuchwerken" Crimmitschau. Wir sind ein Streichgarnwerk mit sehr alten Maschinen. Unsere Zylinderwalken sind vom Jahr 1899-1904 und noch mit Transmission. Die Trockenmaschine, Waschmaschinen und Farbkufen von Anfang 1900. Wir sind ein Vollstufenwerk, d.h. vom Rohstoff bis zum fertigen Damenmantel und Rockstoff haben wir alles in einem Werk. Trotz der alten Maschinen wurde immer in Leistung gearbeitet. Ich hatte mir dann zur Aufgabe gemacht noch mehr dazu zu lernen. Übernahm dann die Muster und Kuponweberei und arbeitete zuletzt als Verantwortliche für Garne. Ich war Mitglied im FDGB (Gewerkschaft) und im DFD (Frauenbund). Von 1961-1969 war ich als Abgeordnete im Stadtparlament von Crimmitschau tätig. Meine lange Tätigkeit und Mitarbeit wurde mit folgenden Auszeichnungen gewürdigt:

1978 beste Produktionsleiterin

1979 Aktivist der sozialistischen Arbeit

1980 Beste Produktionsarbeiterin mit Eintragung ins Ehrenbuch des Kombinates Wolle und Seide, verbunden mit einer Reise nach Moskau

1986 öffentliche Belobigung

1987 Medaille für hervorragende Leistungen in der Leichtindustrie der DDR

Im Jahr 1990 wurde auch unser Betrieb geschlossen. Ich hatte das Glück mit ausräumen zu dürfen, denn wir mussten den Betrieb besenrein der Treuhand übergeben. Nach längerer ABM-Zeit bin auch ich nun arbeitslos. Unser ganzer Betrieb steht unter Denkmalschutz, denn es soll das Westsächsische Textilmuseum in Crimmitschau daraus entstehen. [...] Habe nun als "Aktion 55" (8 Std. pro Woche) die Arbeit im Betrieb wieder aufgenommen, um die alten Maschinen zu pflegen und zum Teil wieder einzurichten, damit ich sie bei Führungen durch unseren Betrieb wieder bedienen kann. Bin nun schon 42 Jahre im Betrieb tätig und setze diese Tätigkeit auch ehrenamtlich fort. Es ist einem nach so langer Zeit einfach alles ans Herz gewachsen. Mein persönlicher Wunsch wäre, dass aus unserem Betrieb bald das "Westsächsische Textilmuseum" entsteht.

Empfohlene Zitierweise:
Schneider, Luise: Mein Leben in der Textilfabrik, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: [LkStart: http://www.hdg.de
/lemo/zeitzeugen/luise-schneider.html]http://www.hdg.de
/lemo/zeitzeugen/luise-schneider.html

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