Dieser Beitrag wurde von Lutz Baumann (*1953) im Jahr 2014 in Berlin verfasst.
Der FDJ Jugendklub war, wie ich damals hörte, einer der ältesten in ganz Ost-Berlin. Einstmals eine Möbelhandlung, dann ein Restaurant, bekannt unter dem Namen Sanssouci, wurde es zu DDR-Zeiten zum Jugendklub umgebaut. 1964 wurde der bis dahin namenlose Klub nach dem spanischen Kommunisten und Bürgerkriegskämpfer Julian Grimau benannt. Julian Grimau lebte ab 1959 als Führer der illegalen KP Spaniens im Untergrund, wurde aber von Francos Geheimpolizei aufgespürt und vom Regime trotz weltweiter Proteste zum Tode durch die Garotte verurteilt und 1963 hingerichtet.
Jugendklub, nur ohne Jeans und lange Haare
Der Jugendklub, am Ende des bebauten Abschnittes der Dörpfeldstraße gelegen, hatte am Wochenende meist zu. Geleitet wurde er von Kurt W. und dessen stellvertretendem Klubleiter Rudi. K., wie er kurz von allen genannt wurde, war in Adlershof eine bekannte Erscheinung. Ich schätze ihn so auf Ende Vierzig, also einer der typischen FDJ-Berufsjugendlichen. Erschien man bei K. im Klub mit Jeans, dann bekam man von ihm zu hören: „Bitte, Jugendfreund, geh nach Hause und ziehe die Niethosen aus, dann kannst du wieder kommen, aber nicht mit den Amihosen. Die wollen wir hier nicht.“ Mit längeren Haaren hatte man sowieso keine Chance auf einen Besuch im Klub. Dann sagte er: „Also, Jugendfreund, so geht das nicht. Erstmal morgen die Haare geschnitten, dass du vernünftig aussiehst, dann sehen wir uns wieder.“ Dabei waren die Attraktionen, die der Jugendklub zu bieten hatte, sowieso nicht besonders umwerfend. Im großen Klubraum stand eine Musikbox mit lauter Ostschlagern, die keiner hören wollte, die obligatorische Tischtennisplatte, Spiele zum Ausleihen, das war es dann auch schon. Ab und zu spielte am Wochenende eine Beat-Kombo zum Tanz, den man aber erst mit Achtzehn besuchen durfte.
Ein Typ, der Frank S. hieß, und der immer mit seinem Stern 111 mit uns vor dem Kino stand, erlaubte sich irgendwann Ende 1969, im Suff im Klub aufzutauchen, einfach reinzugehen, vor zu K. in sein Leiterzimmer. Dann soll er zu K., wie man später erzählte, gesagt haben: „Eeh, K., Mensch! Warum hängt hier bei dir im Kommunistenzimmer kein Ulbricht-Bild?“ Das verschlug K. erst die Sprache, doch dann griff er zum Telefonhörer... Als S. nach weit über einem Jahr wieder draußen war, er wurde wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt in Tateinheit mit Staatsverleumdung verurteilt, waren K. und Rudi schon längst nicht mehr im Amt. Die Jugendpolitik hatte sich verändert, lange Haare und Jeans wurden jetzt gelitten. Etliche FDJ-Funktionäre liefen jetzt, als wäre nie etwas gewesen, wie selbstverständlich in Jeans und mit langen Haaren rum.
Fotozirkel im Jugendklub
Es gab aber auch positive Ausnahmen unter den Leuten von der FDJ. Zu diesen gehörte der Nachfolger von K. im Julian Grimau, Dieter S.. Dieter war um etliche Jahre jünger, trug Jeans, hatte einen Kinnbart, behandelte die jungen Leute, wir waren mittlerweile 18 Jahre alt und somit volljährig, mit Respekt und Achtung. Obwohl SED-Mitglied, erzählte er uns immer die neuesten politischen Witze. Im Klub gab es auch einen Fotozirkel, der von Dieter geleitet wurde. Die Fotomaterialien wurden vom VEB Berlin Chemie zur Verfügung gestellt. Wie oft in der DDR bestand ein Patenschaftsvertrag zwischen Jugendklub und VEB Berlin Chemie unterstützte den Klub finanziell und hatte deshalb ein Mitspracherecht bei der Jahresplanung. Dieter arbeitete ursprünglich in diesem Betrieb. Ich wurde Mitglied im Fotozirkel und ich eignete mir mit Dieters Hilfe im hauseigenen Fotolabor die Grundlagen der Filmentwicklung und Vergrößerungstechnik an.
1972 probten hier die Gruppe Medoc mir ihrer Sängerin Angelika Mann.
Zur Person
Lutz Baumann wird im Juni 1953 in Ost-Berlin geboren. Er besucht die 10-klassige polytechnische Oberschule, ist Mitglied bei den Jungpionieren und der Freien Deutschen Jugend. 1970 macht er eine Lehre als Bautischler, bevor er zwei Jahre später seinen Wehrdienst bei den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee ableistet. Von 1974 an arbeitet er als Bauarbeiter im Volkseigenen Betrieb „Bau- und Montagekombinat Ingenieurhochbau Berlin“ (VEB BMK IHB) und dann als Hausmeister in einer Musikhochschule. Im September 1988 siedelt er – mit einem genehmigten Ausreiseantrag – in den Westen Berlins über und ist beim Deutschen Roten Kreuz tätig. Seit 2004 unterstützt er das Jugendwiderstandsmuseum in der Galiläakirche in Berlin Friedrichshain.
Empfohlene Zitierweise:
Baumann, Lutz: Jugendklub Julian Grimau, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/lutz-baumann-jugendklub-julian-grimau.html
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