Mit dem Rücktritt von Bundeskanzler Adenauer endet im Oktober 1963 die nach ihm benannte Ära. Seinem Nachfolger, dem langjährigen Bundeswirtschaftsminister Erhard, gelingt es trotz seines Erfolges bei der Bundestagswahl 1965 nicht, an Adenauer anzuknüpfen. Im Zuge einer Wirtschaftskrise muß er schon 1966 zurücktreten. Die auf Erhard folgende Große Koalition wird von allen Beteiligten nur als Übergangslösung verstanden. Das heterogene Bündnis aus CDU/CSU und SPD ist jedoch in der Innen- und Wirtschaftspolitik erfolgreich. Es gelingt, die Rezession zu überwinden und die seit langem geplante Notstandsverfassung zu verabschieden.
Die Verjährungsdebatten im Deutschen Bundestag 1965 und Prozesse gegen NS-Verbrecher führen in den 1960er Jahren zu einer öffentlichen Diskussion über den Nationalsozialismus. Besonders der in Jerusalem stattfindende Eichmann-Prozess sowie die Auschwitz-Prozesse in Frankfurt/Main konfrontieren die Deutschen eindringlich mit ihrer Vergangenheit. Überwiegend richten sich die Blicke jedoch in die Zukunft. Kennzeichnend für die 1960er Jahre ist weit über Deutschland hinaus der ungebremste Fortschrittsglaube. Zum Sinnbild für die neuen technischen Möglichkeiten wird die US-amerikanische Landung auf dem Mond 1969.
Die 1960er und beginnenden 1970er Jahre sind unruhige Jahre. Besonders die studierende Jugend und die Intelligenz begehren gegen die bestehenden "verkrusteten Strukturen" auf. Jahrelang kommt es an vielen Universitäten und vor allem in West-Berlin zu heftigen Auseinandersetzungen. Infolge der Protestbewegung verändert sich die politische Kultur in der Bundesrepublik nachhaltig. Die Jugend der DDR folgt dem Beispiel - zunächst allerdings nur äußerlich. Später setzt auch hier ein deutlicher Wertewandel ein. Begünstigt wird der er durch den größeren kulturellen Spielraum, den die SED-Führung Mitte der 1960er Jahre zuläßt.
Ab 1963 versucht die SED, die Wirtschaft im Rahmen der Sozialistischen Planwirtschaft zu reformieren. Das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung (NÖSPL) führt Elemente des Wettbewerbs ein, um die DDR-Wirtschaft zu rationalisieren und flexibler zu machen. Die Reformen bringen tatsächlich einen Modernisierungsschub und eine Hebung des Lebensstandards. In der Bundesrepublik läuft die Wirtschaft bis Mitte der 1960er Jahre auf Hochtouren. Weil Arbeitskräfte rar sind, werden seit 1955 im Ausland Gastarbeiter angeworben, bereits 1964 erreicht ihre Zahl die erste Million. Erst 1966/67 kommt es zu einer kleinen Rezession.
Nach der Bundestagswahl 1969 findet in Bonn ein "Machtwechsel" statt. Basis der neuen SPD/FDP-Koalition sind die übereinstimmenden Absichten beider Parteien in der Ostpolitik. SPD und FDP wollen das Verhältnis zu den kommunistischen Staaten Osteuropas - einschließlich der DDR - normalisieren. Sie folgen damit der Entspannungspolitik der beiden Supermächte. Die "neue Ostpolitik" wird von den Unionsparteien hingegen heftigst kritisiert. Der Kampf um die Ostverträge sowie die knappen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag lassen bei ihnen den Entschluß reifen, die Regierung Brandt/Scheel durch ein konstruktives Mißtrauensvotum zu stürzen, um danach geänderte Ostverträge aushandeln zu können. Das Mißtrauensvotum scheitert jedoch knapp. Es kommt schließlich zu vorgezogenen Neuwahlen im November 1972, in denen die sozial-liberale Koalition eindrucksvoll bestätigt wird.
Die SED antwortet auf die Entspannungsbemühungen Bonns mit Abgrenzung. Durch das Staatsbürgerschaftsgesetz von 1967 und die neue Verfassung von 1968 wird die Eigenstaatlichkeit der DDR betont. Ulbricht, der sich in den 1960er Jahren vom sowjetischen Vorbild abgrenzt, gerät dadurch mit der Sowjetunion in Konflikt. Als er auch versucht, die Deutschlandpolitik Moskaus zu blockieren, wird er 1971 durch Erich Honecker ersetzt. Nach der Ablösung Ulbrichts durch Honecker ordnet sich die SED wieder strikt den Vorgaben des Kreml unter.
(ag, reh) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 07.03.2016
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas/Haunhorst, Regina: Geteiltes Deutschland: Modernisierung, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung.html
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