Dieser Beitrag wurde von Lutz Baumann (*1953) im Jahr 2014 in Berlin verfasst.
„Der Mann von Welt raucht Salem Gelb“
Etwa zur gleichen Zeit, als ich mit dem Trinken anfing, gewöhnte ich mir das Zigarettenrauchen an. Meistens schlauchte ich die Zigaretten von Detlef S., wenn wir auf der Straße unterwegs waren. Er rauchte Filter-Zigaretten der Marke Semper, die Packung zu 3,20 Mark. Wenn ich mal Geld hatte, so genehmigte ich mir eine Schachtel Salem Gelb zu 1,60 Mark. Die war ohne Filter und hatte einen bitteren Geschmack. Solche Zigaretten, zu der noch die Marke[n] Real, Casino, und Jubilar gehörten, die ebenfalls filterlos waren und furchtbar stanken, wurden oft von Arbeitern geraucht, die nicht so viel Geld verdienten. Als ich Juli 1968 einen Ferienjob im Kabelwerk Adlershof hatte, wo ich in einer Abteilung arbeitete, in der von Hand die Etiketten von gebrauchten Kabelspulen abgekratzt wurden, rauchte von den dort beschäftigten Arbeitern nicht einer Filterzigaretten, sondern es wurden Real, Casino, Jubilar und Salem Gelb gequalmt. Sprüche wie: „Der Mann an der Bar raucht Jubilar“ oder „Der Mann von Welt raucht Salem Gelb“, „Siehst du die Kreuze dort im Tal, das sind die Raucher von Real“ und ähnliches machten damals die Runde.
Ich kann mich erinnern, dass einmal 1970 mein Onkel Bernhard aus Westdeutschland zu Besuch war, der mir eine Schachtel Chesterfield schenkte. Die zu rauchen war ganz was Besonderes, denn Westzigaretten gab es nicht alle Tage. Wenn wir Westpakete von unserer Verwandtschaft bekamen, waren da keine Zigaretten mit drin, denn mein Vater rauchte schon seit Jahren nicht mehr und meine Mutter hat ihr ganzes Leben nicht geraucht. Uns gefiel an den Westzigaretten, dass sie parfümiert waren und nicht stanken. Als dann später die Delikatläden eingerichtet wurden, in denen man Westzigaretten aus Ostproduktion kaufen konnte, machte kaum ein Raucher davon Gebrauch, da eine Schachtel 7 Mark kostete.
Zur Person
Lutz Baumann wird im Juni 1953 in Ost-Berlin geboren. Er besucht die 10-klassige polytechnische Oberschule, ist Mitglied bei den Jungpionieren und der Freien Deutschen Jugend. 1970 macht er eine Lehre als Bautischler, bevor er zwei Jahre später seinen Wehrdienst bei den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee ableistet. Von 1974 an arbeitet er als Bauarbeiter im Volkseigenen Betrieb „Bau- und Montagekombinat Ingenieurhochbau Berlin“ (VEB BMK IHB) und dann als Hausmeister in einer Musikhochschule. Im September 1988 siedelt er – mit einem genehmigten Ausreiseantrag – in den Westen Berlins über und ist beim Deutschen Roten Kreuz tätig. Seit 2004 unterstützt er das Jugendwiderstandsmuseum in der Galiläakirche in Berlin Friedrichshain.
Empfohlene Zitierweise:
Baumann, Lutz: Zigaretten in der DDR, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/lutz-baumann-zigaretten-in-der-ddr.html
Zuletzt besucht am: 02.11.2024