Dieser Eintrag wurde von Margarete Schleede (*1926) im November 2003 in Hamburg verfasst. Der Beitrag entstand im Rahmen des Projekts "Interessengruppe Senioren Schreiben und Lesen" des Seniorenbüros Hamburg.
Wohnungssuche mit Makler
Wir gingen zu einem Makler, der schon bekannt war in Altona. Für jede Adresse muten wir 5,- Mark zahlen. Wieder ein Viertel meines Wirtschaftsgeldes. Wenn wir dann bei den Leuten ankamen, hieß es gleich: "Haben sie Kinder?" Damit war es schon zu Ende, denn Kinder wollte keiner in seinen Zimmern haben. Manchmal hatten wir Hoffnung auf zwei abgeschlossene Zimmer, aber auch da war das Kind nicht erwünscht und von zwei haben wir schon gar nichts erwähnt. Es war überall enttäuschend, wie man uns behandelte. Wir kamen uns vor wie Bettler. Ich habe oft zu Haus geheult vor Verzweiflung. Fritz versuchte mich dann zu trösten, aber das beruhigte mich nur für den einen Tag. Immer, wenn wir wieder kreuz und quer durch Hamburg fuhren um eine Hoffnung zu haben, haute klappt es vielleicht, war es am Abend eine doppelte Enttäuschung, denn wir hatten nicht nur das Geld ausgegeben, sondern auch immer wieder Verachtung hinnehmen müssen, nur weil wir ein Kind haben. Manche Leute machten sogar Bemerkungen, wie kann man sich in der heutigen Zeit noch Kinder anschaffen. Sie wollten alle nur alte Leute haben, oder Berufstätige ohne Kinder.
Ein gutes Angebot?
Als wir dann endlich ein Gartenhaus gefunden hatten, wo 2 Zimmer und Küche waren, glaubten wir zu träumen. Es war zwar etwas außerhalb von Hamburg und die Gegend war auch nicht grad so wie wir es wünschten, aber es wer ein Anfang. Den langen Dienstweg wollte Fritz dafür in Kauf nehmen. Der ältere Herr war glücklich, endlich jemanden gefunden zu haben. Die Miete war auch sehr billig, das fand ich schon komisch. Es stellte sich heraus, daß der alte Herr eine Versorgung für sich selbst mit berechnet hatte, darum war die Miete heruntergesetzt. Er wohnte mit in dem Haus. Kinderlieb war er auch. Wir überlegten ob es richtig war, wieder mit jemandem alles zu teilen an Familienleben, denn ich sollte alles für ihn mitmachen. Von Wäsche bis Essen und Garten. Mich störte nicht die Arbeit, aber der Mann. Er schaute mich so komisch an, daß ich es mit der Angst bekam. Als er uns dann noch alle Räume und Schuppen zeigte, sagte er ganz stolz: "Wir haben sogar eine kleine Waschküche." Es war alles so, wie man sich das nur wünschen konnte. Mich störte nur der Mann. Während wir alles besichtigten, hatte der alte Mann mich so aufdringlich berührt und mich am Hintern gestreichelt. Das hatte Fritz aber nicht bemerkt. In diesem Augenblick fühlte ich es wie ein Blitz und eine innere Stimme sagte mir: "Nein, tu es nicht." Das war die Entscheidung. Ich sagte kurz entschlossen, daß ich nicht mehr will, weil der Weg zu weit ist für meinen Mann, denn er hat Schichtdienst und ist auch oft nachts nicht Zuhause. Der Mann sagte gleich freudestrahlend: "Dann beschütze ich sie." Fritz lachte los, mir aber war nicht mehr zum Lachen, denn ich wußte, was er unter Beschützen versteht.
Fritz war ganz entsetzt, daß ich plötzlich Bedenken hatte und das gute Angebot nicht annehmen wollte. Ich wollte schnell wieder weg von da, denn mir war der Mann unheimlich geworden mit seinen glasigen Augen. Er hatte sich so darauf gefreut und Fritz wollte wissen, warum ich so plötzlich nein dazu sage. "Laß uns gehen", bat ich ihn noch mal, wir überlegten uns das noch mal, denn wir haben noch ein anderes Angebot, was wir uns ansehen müssen. Fritz schaute mich ganz verdutzt an, weil er aus mir nicht mehr schlau wurde. Als wir endlich weg waren von da konnte ich Fritz dann alles näher erklären, warum ich nicht mehr wollte. Er sah es ein und war auch froh, daß ich gleich eine klare Absage machte. Wir bedauerten zwar das gute Angebot an Wohnung, aber meine Ruhe in Männerbedürfnissen war mir lieber. Da fühlte ich mich bei meinen Schwiegereltern doch noch wohler und geborgen.
Anstrengende Suche
Wir suchten immer weiter und lernten dabei so manche komische Typen kennen. Auch von Hamburg und Umgebung war uns schon manche Gegend bekannt. Aber jedes Mal kamen wir enttäuscht zurück. Wir hatten nicht mehr genug Geld, denn die Makler waren manchmal richtige Gauner. Sie wußten doch oft, daß die Leute keine Kinder wollten und gaben uns trotzdem die Adresse. Das war doch dann ihr bestes Geschäft, wenn sie allen Leuten die Adressen immer wieder verkauften. Alles war so gemein, den kleinen Leuten gegenüber. Am liebsten hätte man sie angezeigt, denn es war ja Betrug, aber was sollte man machen. Wir brauchten sie ja leider, um überhaupt an Zimmer und Wohnungen heran zu kommen. Weil es auch noch manchmal Fahrgeld kostete, versuchten wir es mit dem Fahrrad, um Geld zu sparen. Das war dann oft ein anstrengender Tag, denn wir nahmen auch mal Ingrid noch mit, weil wir hofften, wenn sie unser Kind sehen, daß ihr Herz dann weicher wird.
Ich war schon so wütend, wenn wir in eine Gegend mußten, wo nur Geldleute wohnten. Die hatten soviel Platz und wollten immer noch Geschäfte machen mit ihrem großen Besitz. Da merkte man gleich, daß wir ihnen zu gewöhnlich waren. Ein Student oder andere höhere Berufe war ihr Wunsch an Untermietern, aber ein kleiner Feuerwehrmann war da nicht gut genug. Manchmal sagte ich vor Wut: "Sie sollten man ein Feuer haben, damit sie begreifen, daß auch ein Feuerwehrmann ein wichtiger Mensch ist." Es mußte ja nicht ein Großfeuer sein. So schlecht wollte ich es ihnen nicht wünschen, aber einen Denkzettel hätten diese hochnäsigen Leute mal gebraucht. Fritz konnte meine Wut manchmal nicht verstehen, aber ich fand es so ungerecht, daß solche Leute noch alles hatten und wir wie die Bettler behandelt wurden.
Empfohlene Zitierweise:
Schleede, Margarete: Die Wohnungssuche 1952, in: LeMO-Zeitzeugen, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, URL: http://www.hdg.de/lemo/zeitzeugen/margarete-schleede-die-wohnungssuche-1952.html
Zuletzt besucht am: 02.11.2024