Wolfgang Harich ist ein deutscher Philosoph und Journalist, der sich in der DDR für politische Reformen und einen demokratischen Kommunismus ausspricht. Für dieses Engagement wird Harich zusammen mit anderen marxistischen Intellektuellen in einem Schauprozess 1957 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. 1964 amnestiert, arbeitet Harich freiberuflich zu philosophischen und ökologischen Themen. Nach der Wiedervereinigung setzt er sich für die Gründung einer gesamtdeutschen KPD ein und lehnt eine Aufarbeitung der DDR-Geschichte ab.
- 1923
9. Dezember: Wolfgang Harich wird in Königsberg/Ostpreußen als Sohn des Literaturhistorikers und Schriftstellers Walther Harich geboren.
- 1930-1942
Harich besucht Grundschule und Gymnasium in Neuruppin und Berlin.
- 1942/43
Ende 1942 wird Harich zum Wehrdienst eingezogen und 1943 unter dem Vorwurf unerlaubter Entfernung von der Truppe zu einer Haftstrafe verurteilt.
- 1944
Harich desertiert und engagiert sich in den kommunistisch geführten "Widerstandsgruppen Berlin Ernst".
- 1945
Eintritt in die wiedergegründete Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).
- 1946-1951
Harich studiert Philosophie und Literatur an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin und promoviert mit einer Arbeit über Johann Gottfried Herder (1744-1803)1951 zum Dr. phil.
Er knüpft Beziehungen zu Bertolt Brecht, Ernst Bloch und Georg Lukács (1885-1971).
Harich arbeitet als Literaturkritiker bei der sowjetamtlichen "Täglichen Rundschau" und der "Neuen Welt".
- 1946
Eintritt in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED).
Harich hält an der pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität Einführungsvorlesungen in den dialektischen und historischen Materialismus.
- 1951-1956
Harich lehrt an der Humboldt-Universität Geschichte der Philosophie. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer arbeitet er im Aufbau-Verlag zunächst als Lektor, ab 1954 als Cheflektor.
Er freundet sich mit den Schriftstellern Gerhard Zwerenz und Erich Loest an.
- 1953
Harich gründet zusammen mit Ernst Bloch und anderen die "Deutsche Zeitschrift für Philosophie".
Auszeichnung mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR.
- 1956
Veröffentlichung der Schrift "Heinrich Heine und das Schulgeheimnis der deutschen Philosophie".
Obgleich er sich bis zu seinem Tod zum Marxismus bekennt, steht er der Regierungspraxis der DDR in vielen Punkten kritisch gegenüber. Als Mittelpunkt einer Oppositionsgruppe innerhalb der SED vertritt er einen "menschlichen Sozialismus" als sogenannten Dritten Weg in Abgrenzung vom kapitalistischen Gesellschaftssystem und dem bürokratischen Herrschaftssystem der DDR.
Unter dem Einfluss von Lukács, Brecht und Bloch verfasst er eine "Plattform über den besonderen deutschen Weg zum Sozialismus", die in Auszügen auf Umwegen im Westen an die Öffentlichkeit gelangt.
November: Kurz nach dem Ungarn-Aufstand wird Harich verhaftet.
- 1957
März: Harich wird wegen "Bildung einer konspirativen staatsfeindlichen Gruppe" zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
- 1964
Dezember: Harich fällt unter eine Amnestie und wird aus der Haft entlassen.
- 1965
Als freischaffender Wissenschaftler und Lektor ist Harich mit der Herausgabe der Feuerbach-Gesamtausgabe betraut und widmet sich der Jean-Paul-Forschung.
Harich heiratet die Chansonette Gisela May.
- 1968
Veröffentlichung der Schrift "Jean Pauls Kritik des philosophischen Egoismus"
- 1971
Veröffentlichung der Schrift "Zur Kritik der revolutionären Ungeduld. Eine Abrechnung mit dem alten und neuen Anarchismus".
- 1972
Harich wendet sich zunehmend der ökologisch fundierten Zukunftsforschung zu.
- 1975
Harich muss sich einer Herzoperation unterziehen. 1979 wird er aufgrund seiner Herzbeschwerden in den Ruhestand versetzt.
Veröffentlichung der Schrift "Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der Club of Rome".
- 1979-1981
Harich erhält ein Langzeitvisum, und reist nach Österreich, Spanien, die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz.
In der Bundesrepublik Deutschland engagiert er sich in der Umweltschutz- und Friedensbewegung.
- 1981
Er kehrt in die DDR zurück und beschäftigt sich mit philosophischen Arbeiten über Nicolai Hartmann (1882-1950), Friedrich Nietzsche und Georg Lukács.
- 1989
Die Wiedervereinigung begrüßt Harich grundsätzlich, kritisiert jedoch, dass die Schuld an der deutschen Teilung nicht nur der DDR gegeben werden dürfe, sondern auch westdeutschen Politikern.
Harich verweigert im Prozess gegen führende DDR-Beamte eine diese belastende Zeugenaussage über die Umstände seiner Verhaftung im Jahre 1956. Er spricht der Bundesrepublik das Recht ab, DDR-Unrecht juristisch zu verfolgen und die DDR-Vergangenheit aufzuarbeiten.
- 1990
30. März: Das Oberste Gericht der DDR rehabilitiert Harich von den Anklagepunkten des Jahres 1957.
- 1990/91
Harich beginnt einen Verleumdungs- und Widerrufprozess gegen seinen früheren oppositionellen Mitstreiter Walter Janka (1914-1994). In Folge des Schauprozesses 1957 war es zu Kontroversen über Harichs Rolle als Zeuge im Prozess gegen Janka gekommen. Janka hatte diese Auseinandersetzungen in seinem Buch "Schwierigkeiten mit der Wahrheit" 1989 dargestellt. Das Verfahren endet mit einem Vergleich. Janka muss die Aussage unterlassen, Harich sei als Kronzeuge gegen ihn aufgetreten.
- 1991
Harich erhält für ein Semester einen Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät der FU Berlin.
- 1992
Gründung der "Alternativen Enquetekommmission Deutsche Zeitgeschichte" mit dem Ziel, die seiner Meinung nach "falsch laufende" Beschäftigung mit der ostdeutschen Vergangenheit zu korrigieren.
- 1993
Harich wird als Belastungszeuge beim Amtsgericht Tiergarten/Berlin zwangsvorgeführt. Er soll unter anderem über die Verhältnisse im Aufbau-Verlag berichten. Harich weigert sich erneut auszusagen und wird zur Zahlung von Ordnungsgeld verpflichtet.
Harich veröffentlicht die Schrift "Keine Schwierigkeiten mit der Wahrheit" als Erwiderung auf die Memoiren von Walter Janka.
- 1994
Harich ist überzeugter PDS-Wähler und tritt der Partei bei.
Veröffentlichung der Schrift "Nietzsche und seine Brüder".
- 1995
15. März: Wolfgang Harich, der unter einer schweren Herzerkrankung leidet, stirbt in Berlin.
- 1996
21. März: In Berlin wird ein "Wolfgang-Harich-Gedenk-Kolloquium" veranstaltet, dessen Protokoll unter dem Titel "Ein Streiter für Deutschland. Auseinandersetzung mit Wolfgang Harich" veröffentlicht wird.
(bs/iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 15.01.2016
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Schmidt, Barbara/Zündorf, Irmgard: Biografie Wolfgang Harich, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/wolfgang-harich.html
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