Eine Lederjacke schenkte Udo Lindenberg 1987 dem Staatschef der DDR. Erich Honecker revanchierte sich mit einer Schalmei. Haben diese "politischen" Geschenke, die im Zeitgeschichtlichen Forum erstmals gemeinsam zu sehen sind, zum Fall der Mauer beigetragen?
Die Ausstellung "Mauersprünge" fragt nach der Rolle der deutsch-deutschen Kulturbeziehungen der 1980er Jahre auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Namhafte Künstler aus Literatur, Kunst, Theater, Film und Musik haben für diese Präsentation Exponate zur Verfügung gestellt. Eingebettet in den historisch-politischen Kontext zeigen sie anschaulich das breite Spektrum der kulturellen Verbindungen im geteilten Deutschland.
Die Ausstellung, die das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig vom 3. August bis 27. Oktober 2002 zeigt, ist Teil der gemeinsam mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig und der Bundeszentrale für politische Bildung realisierten Doppelausstellung "Klopfzeichen - Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland".
Erst 1986, 14 Jahre nach dem Grundlagenvertrag, konnten sich die Bundesrepublik und die DDR auf ein Kulturabkommen einigen. Doch längst zuvor hatten Künstler aus Ost und West persönliche Verbindungen geknüpft. Prominente Beispiele aus der Ausstellung sind Günter Grass und der Dresdener Maler Hubertus Giebe, die gemeinsam an der illustrierten Ausgabe der "Blechtrommel" arbeiteten, oder die Grafiker Klaus Staeck und Wolfgang Petrovsky, die bei Ausstellungen in der DDR und Publikationen im Westen kooperierten.
Die SED beobachtete derartige Kontakte mit großem Misstrauen. Ihre Politik hatte seit der Ausbürgerung Wolf Biermanns im Jahr 1976 zu einem dramatischen Aderlass für die Kultur in der DDR geführt: Über 350 Schauspieler, Regisseure, Schriftsteller und bildende Künstler verließen in den 1980er Jahren das Land. Sie bereicherten das kulturelle Leben der Bundesrepublik, viele machten erneut Karriere.
Umgekehrt gaben künstlerische Trends aus dem Westen vielfach Anregung und Orientierung für die Kulturszene der DDR. Josef Beuys erlangte geradezu Vorbildcharakter für bildende Künstler wie Jürgen Schieferdecker, der 1979 mit seiner in der Ausstellung gezeigten Farblithographie "Beuys macht Licht" den Preis des Museums of Modern Art in Tokyo erhielt. Westdeutsche Pop-Musiker hatten in der DDR zahlreiche Fans, die mit bitterer Enttäuschung reagierten, als 1984 die Kölner Gruppe BAP eine DDR-Tournee absagen musste, weil sie nicht auf kritische Lieder verzichten wollte. Bandleader Wolfgang Niedecken schuf aus den Fan-Briefen ein großformatiges Kunstobjekt, das er für "Mauersprünge" zur Verfügung gestellt hat.
Trotz Mauer und Stacheldraht wurden sich die Deutschen auf dem Gebiet der Kultur nicht fremd. Mit der Grenzöffnung 1989 konnten auch bis dahin undenkbare Begegnungen wieder stattfinden. Ein besonders bewegender Moment war das erste ostdeutsche Konzert Wolf Biermanns seit seiner Ausbürgerung aus der DDR, das er am 1. Dezember 1989 in Leipzig gab. Die Ausstellung zeigt dazu Erinnerungen aus dem persönlichen Besitz des Künstlers.
"Mauersprünge" macht die Vielfalt kultureller Anregungen und Bereicherungen zwischen Ost und West sichtbar, die nach 1989 durch einseitige Betrachtungen und strittige Diskussionen um den Wert des künstlerischen Nachlasses der DDR fast schon vergessen schienen. Die Ausstellung will damit zu einer gesamtdeutschen Perspektive beitragen.