„Stunde Null“, „Wirtschaftswunder“, „Antifaschismus“ und „Wunder von Bern“: Mythen verdichten das kaum überschaubare Geschehen der Vergangenheit zu sinnstiftenden Geschichten. Die Ausstellung veranschaulicht mit rund 900 Objekten wichtige Mythen der Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg. Zentrale Exponate repräsentieren ausgewählte mythische Erzählungen. Die Ausstellung zeichnet ihre Entstehung und Verbreitung nach und fragt nach möglichen Ansätzen für eine gemeinsame europäische Identität.
Bruch mit alten Erzählungen
Mythen bilden einen wichtigen Teil nationaler Erinnerung, die so über Generationen weitergegeben wird. Mit mythischen Erzählungen stärken Nationen ihre Identität. Solche alten Mythen, wie sie andere Länder bis heute bewahren, sind allerdings in Deutschland fast vergessen. Die Tradition bricht 1945 nach dem Missbrauch durch die Nationalsozialisten weitgehend ab. Hermann, der „Befreier Germaniens“, oder Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser haben keine identitätsstiftende Bedeutung mehr. Doch welche neuen Erinnerungserzählungen pflegen die Deutschen heute?
Gründungsmythen
Die westdeutschen Gründungsmythen gelten dem Aufstieg aus den Trümmern des Krieges, hart erarbeitet mit Fleiß und kluger Politik, verbunden mit dem Mythos der D-Mark. Ihnen stehen in der DDR die von der SED-Diktatur gesetzten Mythen vom „Arbeiter- und Bauernstaat“ gegenüber, gegründet als „Erbe der Antifaschisten“ nach der „Befreiung durch die siegreiche Sowjetunion“. Seit 1990 entwickeln die Deutschen eine neue gemeinsame Gründungserzählung. Sie verbindet die Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 mit der Wiedervereinigung.
Deutsche und europäische Selbstbilder
Viele mythische Erzählungen haben in Ost und West ihre Wurzeln in der deutschen Selbstverpflichtung zum Frieden und zur Abgrenzung von der nationalsozialistischen Vergangenheit. Aktuelle Mythen präsentieren die Deutschen als vorbildliche Europäer, als Vorreiter im Umweltschutz oder als siegreiche Fußballer. Anhand der Kampagnen „Du bist Deutschland“ und „Wir sind Papst!“ zeigt die Ausstellung Versuche gezielter Mythenbildung durch Politik, Wirtschaft und Medien. Europa entwickelt dagegen bislang keine gemeinsamen Mythen. Ansätze, die EU als Friedensgarant oder als Wertegemeinschaft darzustellen, finden wenig Resonanz.
Mythen für die Zukunft
Für Nationen aber sind politische Mythen auch im 21. Jahrhundert zentral. Mythen verdichten Erinnerung, sie mobilisieren Selbstbewusstsein und Zuversicht. Mythen können dem Zusammenhalt der Gesellschaft und der Integration von Zuwanderern dienen, weil sie wichtige Bestandteile nationaler Identität vermitteln. Eine gemeinsame Erzählung kann helfen gegen zersetzende mythische Konstruktionen von politischen Extremisten. Sind Mythen für den gesellschaftlichen Konsens unverzichtbar?
Wie und warum entstehen Mythen? Namhafte Autoren analysieren deutsche Mythen von der „Stunde Null“ bis zur Rolle als „Zahlmeister Europas“. Objektgeschichten ergänzen die Beiträge.