7. Oktober 1989 – wie überall im Land feiert auch Leipzig den 40. Gründungstag der DDR. Doch hier versammeln sich immer mehr Menschen zum Protest gegen das SED-Regime. Mittendrin ist Martin Jehnichen, Student aus Westdeutschland. Heimlich fotografiert er das brutale Vorgehen der Staatsmacht gegen die Demonstrierenden. Die Aufnahmen, „aus der Hüfte geschossen“, sind teils unscharf und unterstreichen gerade dadurch die Dramatik der Ereignisse.
Wie so viele Teilnehmende wird Martin Jehnichen verhaftet, aufgrund seines bundesdeutschen Passes aber rasch freigelassen und des Landes verwiesen. Nach dem Mauerfall kommt er wieder – um zu bleiben. Ende 1989 gründet er mit Mitstreitern die Fotoagentur „transit“ in Leipzig.
Anlässlich des 35. Jubiläums der Friedlichen Revolution, des Mauerfalls und der Wiedervereinigung 2024/2025 zeigen wir Fotoarbeiten von Martin Jehnichen aus den Jahren 1988 bis 1990 in unserer neuen Ausstellung.
Die Bilder spiegeln Alltag und Verfallserscheinungen des sozialistischen Staates, Aufbegehren im Herbst 1989 und Umbruchsphänomene des Jahres 1990 aus der Sicht eines jungen westdeutschen Fotografen wider.
Martin Jehnichen (Jahrgang 1962) verbringt als Kind die Ferien oft bei den Großeltern im sächsischen Freiberg. 1988 nutzt er, mittlerweile Student für Fotodesign und visuelle Kommunikation in Bielefeld, die Chance auf ein Austauschsemester in Leipzig. Trotz der familiären Bindungen ist der Studienaufenthalt für ihn eine Reise in eine fremde Welt. Seine Fotos zeigen einerseits Empathie und Sympathie für Land und Leute, bezeugen andererseits den „Blick von außen“ klassischer Reportage-Fotografie, die Besonderheiten und Widersprüche aufdeckt.
Inzwischen Mitglied der laif-Agentur für Fotos und Reportagen, ist Martin Jehnichen nach wie vor als Fotograf sowie im Bereich visuelle Kommunikation aktiv.