Im Juli 1990 besiegelt die Währungsunion das Ende der sozialistischen Zentralplanwirtschaft auf deutschem Boden: Die Deutsche Demokratische Republik übernimmt die Soziale Marktwirtschaft. Damit endet das mehr als vierzigjährige Nebeneinander von zwei gegensätzlichen Wirtschaftsordnungen in den beiden deutschen Staaten.
Das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stellt die Anfänge der Sozialen Marktwirtschaft und der sozialistischen Zentralplanwirtschaft in den Mittelpunkt einer Wechselausstellung: Vom Ende des Zweiten Weltkrieges im Frühjahr 1945 bis zum Mauerbau im Sommer 1961 werden entscheidende Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung gestellt, charakteristische Besonderheiten der beiden Wirtschaftsordnungen prägen sich aus.
Warum gelang es, die Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland und die sozialistische Zentralplanwirtschaft in der DDR zu verankern? Welche Rolle spielten dabei die Siegermächte bzw. die europäischen Nachbarstaaten? Wie lebten die Menschen im jeweils anderen Teil Deutschlands? Wie waren die realen Lebensumstände, wie wurden sie in Werbung und Propaganda dargestellt? Wie war das wirtschaftliche Leben in der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland organisiert? Welche Auswirkungen hatten die Wirtschaftsordnungen auf das Alltagsleben der Menschen in Deutschland?
Die Beschäftigung mit diesem Teil der Vergangenheit der Deutschen in Ost und West soll das gegenseitige Verständnis vertiefen und dem inneren Zusammenwachsen des vereinigten Deutschland dienen.
Siegermächte und Wirtschaftsordnung
Frühjahr 1945: Deutschlands Industrie ist zum großen Teil zerbombt oder liegt still, die Infrastruktur ist zusammengebrochen. Hunger, Mangel und Zerstörung beherrschen das Leben der Menschen. Die wirtschaftliche Zukunft der Besatzungszonen liegt in den Händen der Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion. Im August 1945 fällt in Potsdam die Entscheidung, Deutschland als einheitliches Wirtschaftsgebiet zu betrachten.
Zunehmend, offenkundig seit 1947, geraten die deutschen Besatzungszonen in den Sog des Kalten Krieges. Aus den ehemaligen Verbündeten des Zweiten Weltkrieges - der Sowjetunion einerseits und den westlichen Verbündeten unter Führung der USA andererseits - sind Gegner geworden.
In den Westzonen ringen konkurrierende Kräfte um die künftige Wirtschaftsordnung. Die USA fördert aktiv die Marktwirtschaft. Der Marshall-Plan - ein amerikanisches Förderprogramm zum Aufbau Europas - hilft, zunächst die Westzonen, dann die Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt zu integrieren.
In der Sowjetischen Besatzungszone stellt die Besatzungsmacht bereits früh die Weichen in Richtung Zentralplanwirtschaft. Nach einem Halbjahresplan 1948 entsteht 1949/50 der erste umfassende Zweijahres-Wirtschaftsplan.
Lebens- und Arbeitswelt
Mit der Währungsreform im Juni 1948 und dem Abbau der Bewirtschaftung setzt sich in der Bundesrepublik Deutschland die Marktwirtschaft durch. Eine erste entscheidende Bestätigung liefert die Bundestagswahl 1949, in der sich die Wähler mehrheitlich für die Parteien entscheiden, die sich zur Sozialen Marktwirtschaft bekennen.
Die neue Wirtschaftsordnung bringt in den fünfziger Jahren unvorhersehbare Erfolge: Die Welt spricht vom Wirtschaftswunder. Ein wesentlicher Motor des Aufschwunges ist der Export in alle Welt. Die Tarifautonomie hilft, sozialen Sprengstoff zu entschärfen. Eine aktive Sozialpolitik des Staates stärkt die soziale Komponente der Marktwirtschaft.
Die Menschen in der DDR können dagegen nicht frei darüber entscheiden, in welcher Wirtschaftsordnung sie leben möchten. Einige protestieren, viele flüchten in den Westteil Deutschlands. Andere wiederum zeigen zum Beispiel durch ihre Leistungen als Aktivisten, daß sie das System der Planwirtschaft unterstützen.
Der Aufbau der "Grundlagen des Sozialismus" prägt die Arbeitswelt der DDR. Der Betrieb ist nicht nur Arbeitsplatz, sondern entwickelt sich zum Zentrum des sozialen Lebens. Längerfristige gesamtwirtschaftliche Pläne setzen die Wachstumsziele, die Strategien und Mittel fest. Die Schwerindustrie, die Chemische Industrie, der Schwermaschinenbau und die Energieerzeugung werden planmäßig vom Staat gefördert. Die Konsumgüterproduktion leidet unter dieser Schwerpunktsetzung.
Die unterschiedlichen Wirtschaftsordnungen prägen den Alltag der Deutschen in Ost und West. Der Lebensstandard, die Arbeitswelt, die Sozialleistungen, die Konsummöglichkeiten in den beiden Staaten unterscheiden sich erheblich.
Bis 1961 haben sich die beiden gegensätzlichen Wirtschaftsordnungen in Deutschland etabliert. Die Teilung der beiden deutschen Staaten mit so gegensätzlichen Wirtschaftsordnungen wird durch den Bau der Mauer 1961 verfestigt, der 13. August jenes Jahres zwingt die Bürger der DDR, sich mit der sozialistischen Zentralplanwirtschaft abzufinden.
Brücke zur Gegenwart
Die Ausstellung versucht auch einen Brückenschlag zur Gegenwart. Zeitzeugen ziehen aus ihrer persönlichen Sicht Bilanz, der Blick aus der Gegenwart im Bewußtsein der Vergangenheit erlaubt Bewertungen und Ausblicke auf Aufgaben für heute und morgen: Erwartungen, Hoffnungen, auch Sorgen für die Zukunft im geeinten Deutschland.