„Warum hat keiner was getan?“, „Das war doch alles seit 30 Jahren bekannt.“ Schon diese zwei Zuschauerreaktionen geben einen Einblick in die Debatte rund um den 1979 im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Vierteiler „Holocaust“. Die US-Serie ist ein besonders eindrückliches Beispiel für die Wirkung von Filmen zu historischen Themen. Sie prägen den Blick auf bestimmte Ereignisse, lösen Debatten aus und sind selbst Zeitdokumente. Noch stärker als Dokudramen oder Dokumentationen sind Spielfilme in der Lage, Emotionen auszulösen und Zuschauerinnen und Zuschauer in eine bestimmte Zeit zurückzuversetzen.
Unsere Wechselausstellung „Inszeniert“ zeigt, welche Themen der deutschen Geschichte die Kino- und Filmlandschaft seit 1945 prägen. Worin unterscheiden sich ost- und westdeutsche Filme zum Widerstand im Nationalsozialismus? Wie beeinflussen Heinz-Erhardt-Filme wie „Mein Mann, das Wirtschaftswunder“ das Bild der Bundesrepublik der 1950er-Jahre? Und in was für einem Umfeld entdecken Regisseure in der jüngeren Vergangenheit Themen wie Flucht und Vertreibung der Ostpreußen?
Die Gestaltung der Ausstellung orientiert sich an der Architektur von Kinos und Filmstudios. Sie umfasst sieben Themenbereiche, in denen immer ein Film im Vordergrund steht, der eine besonders große öffentliche Wirkung erzielte. Zum Beispiel „Operation Walküre“ über den Widerstandskämpfer Stauffenberg, „Unsere Väter, unsere Mütter“ über den Zweiten Weltkrieg oder „Das Leben der Anderen“ über die Staatssicherheit in der DDR. Zeitungsausschnitte und Zitate zeigen die zeitgenössischen Debatten um die Filme und ihre Themen. Filmrequisiten wie Maria Furtwänglers Mantel aus „Die Flucht“ oder die Film-Uniform Stauffenbergs verdeutlichen das schwierige Verhältnis von historischer Realität und filmischer Umsetzung.
Dokumentarfilm, DDR 1990, 51 Min
Regie: Lilly Grote, Julia Kunert
In der Reihe „Ein anderes Leben – People of Colour in der DDR“
Elf Jahre lang lebten Kinder aus Namibia in der DDR. Sie waren unterernährt, krank und mit traumatischen Kriegserinnerungen aus den Geflüchtetenlagern in Angola in die DDR gekommen. Im März 1990 wurde Namibia unabhängig, die DDR befindet sich in Auflösung. Im August werden alle 425 Kinder innerhalb einer Woche nach Namibia zurückgeflogen. Die Jugendlichen, die deutsch sprechen, sind nun (wieder) Namibier. Doch fühlen sie sich auch als solche? Wo liegen ihre Wurzeln? Wie können sie in ihrer „neuen Heimat“ ankommen?
Lilly Grote ist eine deutsche Filmemacherin, Künstlerin und Dozentin. Sie studierte ab 1970 an der Kunsthochschule Kassel, setzte ihr Studium 1975 mit Fotografie in Frankfurt am Main fort und absolvierte 1977 die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin. Sie realisierte zahlreiche Filme als Drehbuchautorin, Regisseurin, Kamerafrau und Tontechnikerin. Ihr künstlerisches Werk umfasst unter anderem ihre Lichtboxen – kleine, beleuchtete Holzkästen mit einer Glasfront, hinter der sich ein bühnenartiges Tableau entfaltet. Lilly Grote lehrt heute an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.
Julia Kunert (1953–2022) war eine deutsche Kamerafrau, Filmemacherin und Dozentin. Sie studierte Kamera an der HFF Babelsberg, wo sie später Meisterschülerin war, und arbeitete ab 1981 als Kamerafrau im DEFA-Dokumentarfilmstudio sowie für das Fernsehen der DDR. Ihre Arbeiten umfassen Filme wie „Heim“ (1978) und das Gemeinschaftsprojekt „Berlin, Bahnhof Friedrichstraße“ (1990). Von 1990 bis 1992 lehrte sie Kamera an der HFF Babelsberg und wirkte an über 20 Dokumentarfilmen mit, u. a. an einer Trilogie über namibische Kinder in der DDR.
Das Begleitbuch bietet Hintergrundtexte, Gastbeiträge und Interviews mit Schauspielern und Filmemachern wie Stefan Aust, Hanna Schygulla und Maria Furtwängler.
Lesen Sie mehr über die "Inszeniert"-Ausstellung im Museumsmagazin 2/2016.
Ausgabe downloaden