„Warum hat keiner was getan?“, „Das war doch alles seit 30 Jahren bekannt.“ Schon diese zwei Zuschauerreaktionen geben einen Einblick in die Debatte rund um den 1979 im deutschen Fernsehen ausgestrahlten Vierteiler „Holocaust“. Die US-Serie ist ein besonders eindrückliches Beispiel für die Wirkung von Filmen zu historischen Themen. Sie prägen den Blick auf bestimmte Ereignisse, lösen Debatten aus und sind selbst Zeitdokumente. Noch stärker als Dokudramen oder Dokumentationen sind Spielfilme in der Lage, Emotionen auszulösen und Zuschauerinnen und Zuschauer in eine bestimmte Zeit zurückzuversetzen.
Unsere Wechselausstellung „Inszeniert“ zeigt, welche Themen der deutschen Geschichte die Kino- und Filmlandschaft seit 1945 prägen. Worin unterscheiden sich ost- und westdeutsche Filme zum Widerstand im Nationalsozialismus? Wie beeinflussen Heinz-Erhardt-Filme wie „Mein Mann, das Wirtschaftswunder“ das Bild der Bundesrepublik der 1950er-Jahre? Und in was für einem Umfeld entdecken Regisseure in der jüngeren Vergangenheit Themen wie Flucht und Vertreibung der Ostpreußen?
Die Gestaltung der Ausstellung orientiert sich an der Architektur von Kinos und Filmstudios. Sie umfasst sieben Themenbereiche, in denen immer ein Film im Vordergrund steht, der eine besonders große öffentliche Wirkung erzielte. Zum Beispiel „Operation Walküre“ über den Widerstandskämpfer Stauffenberg, „Unsere Väter, unsere Mütter“ über den Zweiten Weltkrieg oder „Das Leben der Anderen“ über die Staatssicherheit in der DDR. Zeitungsausschnitte und Zitate zeigen die zeitgenössischen Debatten um die Filme und ihre Themen. Filmrequisiten wie Maria Furtwänglers Mantel aus „Die Flucht“ oder die Film-Uniform Stauffenbergs verdeutlichen das schwierige Verhältnis von historischer Realität und filmischer Umsetzung.
(Dokumentarfilm, D 2019, 65 Minuten, Regie: Jean Boué)
Film und Gespräch
Mit Regisseur Jean Boué, Prof. Dr. Judith Miggelbrink (Direktorin des Leibniz-Instituts für Länderkunde, IfL, Professorin für Regionale Geographie an der Universität Leipzig), Dr. Tim Leibert (Projektleiter am IfL)
Landtagswahlkampf in der Westprignitz, dem am dünnsten besiedelten Landkreis Deutschlands. Fünf Kandidaten buhlen 2019 um die Stimmen derjenigen, die sich abgehängt fühlen. Die SPD und die LINKE verteidigen ihre Regierungspolitik, die CDU und die GRÜNEN halten dagegen. Und die AfD spottet und sammelt die Enttäuschten an den Rändern ein. Regisseur Jean Boué, der selbst seit über zehn Jahren in der Prignitz lebt, hat die Kandidaten im Wahlkampf begleitet und verschafft mit seinem Dokumentarfilm einer „abgehängten“ Region Gehör.
Nach der Filmvorführung erörtern Fachleute gemeinsam mit dem Publikum, was es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt – nicht nur auf dem Land – bedeutet, wenn sich enttäuschte Menschen populistischen und rechtsextremen Parteien zuwenden. Was kann die Politik tun, um der wachsenden Unzufriedenheit zu begegnen? Wie sieht die aktuelle Situation vor der bevorstehenden Bundestagswahl aus?
Jean Boué ist Autor, Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen und Dokumentationen zu gesellschaftlichen Themen. 2000 gründete er die Produktionsfirma JABfilm. Er war DEFA-Stipendiat und Grenzgänger der Robert-Bosch-Stiftung. Seit 2013 ist er Lehrbeauftragter an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg.
Judith Miggelbrink ist Direktorin des Leibniz-Instituts für Länderkunde und als Professorin für Regionale Geographie an der Universität Leipzig tätig. Sie arbeitet unter anderen zu den Themenschwerpunkten „Geographie des Regionalen“, „Peripherisierung“ und „Populismus und Rechtsextremismus“.
Tim Leibert ist Projektleiter und stellvertretender Koordinator der Forschungsgruppe „Mobilitäten und Migration“ am Leibniz-Institut für Länderkunde. Seine Themenschwerpunkte sind der demografische Wandel sowie Regionalentwicklung und Migration.
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Referat Wissenspolitik der Stadt Leipzig und dem Leibniz-Institut für Länderkunde statt.
Das Begleitbuch bietet Hintergrundtexte, Gastbeiträge und Interviews mit Schauspielern und Filmemachern wie Stefan Aust, Hanna Schygulla und Maria Furtwängler.
Lesen Sie mehr über die "Inszeniert"-Ausstellung im Museumsmagazin 2/2016.
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