Unsere Demokratie in Deutschland ist nicht selbstverständlich und nicht einfach da: Das hören und lesen wir aktuell viel in den (sozialen) Medien und das sehen wir auf Demos gegen Rechtextremismus. Und es stimmt!
Genau das ist auch den Frauen und Männern sehr bewusst, die 1948/49 unser Grundgesetz schreiben. Zu diesem Zeitpunkt ist das Ende der nationalsozialistischen Diktatur keine fünf Jahre her. Die 65 Frauen und Männer sind die Abgeordneten des "Parlamentarischen Rats". Was haben sie sich vor diesem Hintergrund für den neuen Staat – unsere heutige Bundesrepublik – überlegt? Und wie sah die Arbeit des Parlamentarischen Rats aus?
Der Parlamentarische Rat tritt am 1. September 1948 in Bonn zusammen. Er hat die Aufgabe, ein Grundgesetz für die spätere Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten.
Zu diesem Zeitpunkt ist Deutschland in vier Besatzungszonen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs eingeteilt. In den Besatzungszonen gibt es Bundesländer.
Die vier Besatzungsmächte haben sich wegen ihrer sehr unterschiedlichen politischen Ausrichtung entfremdet. Die drei westalliierten Militärgouverneure aus den USA, Großbritannien und Frankreich geben den westdeutschen Ministerpräsidenten im Juli 1948 den Auftrag, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Es soll ein eigener, westdeutscher Staat gegründet werden.
Das Grundgesetz wird am 23. Mai 1949 unterzeichnet und verkündet. Am 24. Mai tritt es in Kraft.
Der Parlamentarischen Rat hat 65 stimmberechtigte Abgeordnete: 61 Männer und 4 Frauen. Sie werden im August 1948 von den elf westdeutschen Landtagen gewählt und gehören verschiedenen Parteien an: CDU/CSU und SPD stellen je 27 Abgeordnete, die FDP fünf, Deutsche Partei (DP), Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und Zentrum je zwei. Zusätzliche gibt es fünf Abgeordnete aus den Westsektoren Berlins, die nur beratende Stimmen haben.
Präsident des Parlamentarischen Rats ist Konrad Adenauer (CDU).
Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen, föderalistischen und sozialen Rechtsstaat. Wichtige Erfahrungen aus der deutschen Geschichte spiegeln sich im Grundgesetz wider.
Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen werden die Grundrechte garantiert: als unmittelbar geltendes und einklagbares Recht. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Für diesen Satz in unserem Grundgesetz hat Elisabeth Selbert (SPD) gekämpft. Für sie reicht es nicht aus, wenn Frauen im neuen Grundgesetz nur staatsbürgerlich die gleichen Rechte wie Männer bekommen: also wählen und gewählt werden können. Sie sollen auch in den bürgerlichen Gesetzesfragen gleichberechtigt sein, z.B. in Bezug auf das Recht zu arbeiten, Verträge zu unterzeichnen oder mit Blick auf Ehe und Familie.
Die Mehrheit des Parlamentarischen Rats lehnt das zunächst ab. Deshalb wendet sich Elisabeth Selbert an die Öffentlichkeit, reist durch die westlichen Besatzungszonen, mobilisiert Frauenverbände. Die Folge sind Beschwerden von Frauen beim Parlamentarischen Rat. Der gibt dem Druck nach und nimmt den Gleichheitsgrundsatz als unveräußerliches Grundrecht ins Grundgesetz auf.
Als klar wird, dass ein westdeutscher Staat entstehen soll, haben die Ministerpräsidenten Sorge, dass eine Wiedervereinigung mit den ostdeutschen Ländern in weite Ferne rückt und die Teilung verfestigt wird. Aus dem gleichen Grund heißt der "Parlamentarische Rat" auch nicht "Verfassungsgebende Versammlung". Der vorläufige Charakter der Staatslösung soll betont werden.
In der Präambel des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 steht sogar drin, dass das Grundgesetz eine staatliche Ordnung "für eine Übergangszeit" ist. "Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden."
Am 8. Mai 1949 liegt das "Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland" fertig auf dem Tisch. In der Schlussabstimmung wird es im Parlamentarischen Rat mit 53 Ja-Stimmen (CDU, 2 CSU-Stimmen, SPD, FDP) gegen zwölf Nein-Stimmen (6 CSU-Stimmen, Zentrum, DP, KPD) angenommen.
Die Besatzungsmächte und die Länderparlamente stimmen ebenfalls zu – mit Ausnahme des Bayerischen Landtags. Da jedoch nur zwei Drittel der Länder zustimmen müssen, tritt das Grundgesetz auch in Bayern in Kraft.
Auf der Londoner Sechsmächtekonferenz im Juni 1948 entscheiden die westlichen Besatzungsmächte gemeinsam mit den Beneluxstaaten, aus den Besatzungszonen der USA, Großbritanniens und Frankreichs einen westdeutschen Teilstaat zu errichten. Im Juli übergeben die drei Militärgouverneure die "Frankfurter Dokumente" an die Regierungschefs der westdeutschen Länder und beauftragen sie, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen.
Die Frankfurter Dokumente legen fest, dass ein föderaler Staat entstehen soll. Diese Vorgabe führt zum Streit während der Arbeit am Grundgesetz: Die Militärgouverneure geben mehrfach Entwürfe an den Parlamentarischen Rat zurück, weil ihnen der Bund zu viel Macht gegenüber den Ländern hat.
Einen Durchbruch bringt die Washingtoner Außenministerkonferenz im April 1949. Dort wird festgelegt, dass die Westmächte zunächst für die Außenpolitik, den Außenhandel und die Entmilitarisierung verantwortlich sind. Sie wachen über die Einhaltung des Grundgesetzes und können Gesetze, die der Bundestag verabschiedet hat, ablehnen. Das Grundgesetz genehmigen die Militärgouverneure am 12. Mai 1949, am 24. Mai tritt es in Kraft.
Die Bundesrepublik bekommt schrittweise mehr Freiheiten. 1955 erlischt das Besatzungsstatut und wird durch die Pariser Verträge abgelöst: Die Bundesrepublik wird weitgehend souverän.
Was gibt's Neues? Eine ganze Menge, wenn gerade eine neue Demokratie entsteht!
Journalisten, Fotografinnen und Fotografen begleiten die Mitglieder des Parlamentarischen Rats bei ihren Diskussionen und Entscheidungen darüber, wie der neue Staat im Westen Deutschlands aussehen soll. Über die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur gibt es unterschiedliche Vorstellungen.
Die Abgeordneten selbst haben an ihrem Arbeitsplatz in der Pädagogischen Akademie ein Lesezimmer, um sich auf dem Laufenden zu halten. Dort können sie auch direkt nachschauen, was die Zeitungen über sie schreiben.
Während die Abgeordneten das Grundgesetz ausarbeiten, bekommen sie Unterstützung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlamentarischen Rats vervielfältigen und sortieren Sitzungsvorlagen und Protokolle, verteilen Agenturmeldungen und Zeitungen in der Poststelle, übernehmen Fahrdienste, tätigen Anrufe, sorgen für das leibliche Wohl uvm.
Gleichzeitig fehlt gut ausgebildetes Personal, das den Abgeordneten zuarbeitet und zum Beispiel Recherchen in Sachfragen übernimmt.
1. "DER WEG ZUM GRUNDGESETZ" – Begleiteter Rundgang durch die Fotoausstellung von Erna Wagner-Hehmke und den Historischen Ort Bundesrat.
Sonntag, 15 Uhr. Einzelbesucher: Anmeldung online hier. Gruppen: Anmeldung über den Besucherdienst.
2. "DEMOKRATIE UND GRUNDGESETZ" – After-Work-Angebot: Schwerpunktbegleitung durch die Dauerausstellung "Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945" und durch die Fotoausstellung von Erna Wagner-Hehmke "Der Weg zum Grundgesetz"
Donnerstag, 17 Uhr. Einzelbesucher: Anmeldung online hier. Gruppen: Anmeldung über den Besucherdienst.