Egon Bahr 1922 - 2015

Egon Bahr ist ein deutscher SPD-Politiker und Journalist. Nach der Bundestagswahl von 1969, aus der die sozial-liberale Regierungskoalition mit Kanzler Brandt hervorgeht, ist Bahr Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin. Der wohl wichtigste Berater und Vertraute Brandts ist in diesen Positionen maßgeblich an der Entspannungspolitik mit dem Osten beteiligt und prägt den Begriff „Wandel durch Annäherung“.

  • 1922

    18. März: Egon Karl-Heinz Bahr wird in Treffurt/Thüringen als einziges Kind des Lehrers Karl Bahr und seiner Frau Hedwig geboren.

  • 1928

    Die Familie zieht nach Torgau/Sachsen

  • 1938

    Weil er sich nicht von seiner Frau, die jüdischer Herkunft ist, trennen will, wird Bahrs Vater aus dem Schuldienst entlassen. Die Familie zieht nach Berlin.

  • 1940

    Abitur am Helmholtz-Gymnasium in Berlin-Friedenau.

    Bahr wird wegen seiner jüdischen Vorfahren als Musikstudent abgelehnt.

    Er absolviert eine Lehre als Industriekaufmann bei der Rheinmetall-Borsig AG.

  • 1942-1944

    Soldat im Zweiten Weltkrieg. Entlassung aus der Wehrmacht, nachdem seine "nichtarische Abstammung" bekannt wird.

  • 1944/1945

    Bahr wird bei Rheinmetall-Borsig dienstverpflichtet.

  • 1945

    Bahr arbeitet als Journalist in Berlin. Zunächst ist er Reporter bei der "Berliner Zeitung", anschließend bei der "Allgemeinen Zeitung", aus der später die "Neue Zeitung" wird.

    Heirat mit der Sekretärin Dorothea Grob.

  • 1948-1950

    Korrespondent des "Tagesspiegel" in Hamburg und Bonn.

  • 1950-1960

    Chefkommentator und Leiter des Bonner Büros des RIAS und 1953/54 politischer Chefredakteur dort.

  • 1956
  • 1960-1966

    Der Regierende Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt, beruft Bahr an die Spitze des Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin.

  • 1961-1963

    Gemeinsam mit Willy Brandt entwickelt Bahr außenpolitische Leitgedanken, die die Basis für die spätere Neue Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland bilden. Bahr wird zum Architekten der Ostverträge sowie Vordenker und Stratege der Beendigung des Kalten Krieges.

    In diesem Zusammenhang formuliert Bahr im Juli 1963 in einer Rede in der Evangelischen Akademie Tutzing die neue Konzeption der deutschen Ostpolitik unter der Devise "Wandel durch Annäherung".

  • 1966-1969

    Sonderbotschafter und Leiter des Planungsstabs des Auswärtigen Amts.

  • 1969-1972

    Staatssekretär im Bundeskanzleramt bei Brandt und Bundesbevollmächtigter für Berlin.

  • 1970

    Januar: Bahr führt in Moskau mit Außenminister Andrei A. Gromyko die ersten Gespräche über einen Gewaltverzichtsvertrag zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik. Teile des geheimen "Bahr-Papiers" veröffentlicht die Bild-Zeitung im Juni vorzeitig, wobei unklar ist, wie sie an die Informationen gelangt ist. Die Gespräche dienen als Grundlage für den am 12. August 1970 abgeschlossenen Moskauer Vertrag.

    November: Bahr beginnt Gespräche mit dem Beauftragten der DDR, Michael Kohl, über die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten.

  • 1971

    17. Dezember: Bahr und Michael Kohl unterzeichnen in Bonn das Transitabkommen, das den Personen- und Güterverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin regelt. Es ist die erste deutsch-deutsche Vereinbarung auf Regierungsebene.

  • 1972-1990

    Mitglied des Deutschen Bundestages.

  • 1972-1974

    Bundesminister für besondere Aufgaben. In dieser Funktion wird Bahr zum ständigen Berater des Bundeskanzlers Brandt in allen Fragen der Ost- und Deutschlandpolitik.

  • 1972

    26. Mai: Bahr und Michael Kohl unterzeichnen in Ost-Berlin einen Verkehrsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR.

    21. Dezember: Bahr und Michael Kohl unterzeichnen den Grundlagenvertrag: Darin wird die Anerkennung der Vier-Mächte-Verantwortung, die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Beschränkung der Hoheitsgewalt auf das jeweilige Staatsgebiet, der Austausch "ständiger Vertreter", die Beibehaltung des innerdeutschen Handels und der Antrag beider Staaten auf Aufnahme in die UNO festgeschrieben.

  • 1973

    Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes.

  • 1974-1976

    Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Kabinett von Helmut Schmidt. 1975 präsentiert Bahr in dieser Funktion seine Ansichten über den Stellenwert der Entwicklungspolitik als Faktor weltweiter Friedenspolitik und stellt die Hilfe für die ärmsten Länder in den Vordergrund der Bemühungen.

  • 1975

    Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband.

  • 1976

    Auszeichnung mit dem Theodor-Heuss-Preis.

  • 1976-1981

    Bundesgeschäftsführer der SPD.

    Bahr vertritt in dieser Funktion eine Abgrenzungspolitik gegenüber der äußersten Parteilinken.

    In außenpolitischen Fragen formuliert er Vorbehalte gegen den NATO-Doppelbeschluss und setzt sich damit von der Politik des Bundeskanzlers Schmidt ab.

  • 1976-1991

    Bahr wird Mitglied des Parteipräsidiums der SPD.

  • 1980-1990

    Vorsitzender des Unterausschusses für Abrüstungs- und Rüstungskontrolle des Bundestages.

  • 1981

    Juni: Bahr berichtet nach einem Besuch in Moskau von den sowjetischen Zweifeln am Willen der USA zu Verhandlungen über eine Begrenzung der eurostrategischen Waffen.

  • 1982

    Bahr fordert eine stärkere Mitbestimmung der Bundesrepublik Deutschland bei den Entscheidungen über die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen.

    Er tritt für die Beschränkung aller Atomwaffen auf das Territorium ihrer Besitzerstaaten bei gleichzeitiger Herstellung eines Gleichgewichts konventioneller Waffen in Europa ein.

    Mitglied der internationalen Abrüstungskommission unter dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme (1927-1986), die in ihrem Abschlussbericht die Schaffung einer von taktischen atomaren Gefechtsfeldwaffen freie Zone in Europa befürwortet.

    Veröffentlichung der Schrift "Was wird aus den Deutschen? Fragen und Antworten".

    Verleihung des Gustav-Heinemann-Bürgerpreises.

  • 1983

    August: Bei einem Treffen mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker geht es um die Gefahren des atomaren Wettrüstens. Honecker betont, dass die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen entsprechende Gegenmaßnahmen von Seiten der sowjetischen Staaten zur Folge hat.

  • 1984

    September: Bahr äußert sich positiv über drei der vier sogenannten Geraer-Forderungen des Staats- und Parteichefs Honecker. So spricht er sich dafür aus, die Elbgrenze an der Strommitte "festzustellen", die Erfassungsstelle für Gewaltverbrechen der DDR in Salzgitter aufzulösen und die Respektierung der DDR-Staatsbürgerschaft in einem Vertrag festzulegen.

  • 1984-1994

    Direktor des Instituts für Friedensforschung an der Universität Hamburg.

  • 1986-1988

    Mitherausgeber der drei Bände "Gemeinsame Sicherheit".

  • 1987

    Mai: Der Parteivorstand der SPD beruft Bahr zum neuen Vorsitzenden der Sicherheitspolitischen Kommission der SPD.

  • 1988

    Veröffentlichung der Schrift "Zum europäischen Frieden. Eine Antwort auf Gorbatschow".

  • 1990

    5. Juli: Bahr wird Berater des DDR-Abrüstungs- und Verteidigungsministers Rainer Eppelmann.

    In der Zeitung "Frankfurter Rundschau" äußert er die Ansicht, dass die Zugehörigkeit Gesamtdeutschlands zur NATO keine dauerhafte sicherheitspolitische Lösung sei.

    Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl tritt Bahr nicht mehr als Kandidat an.

    Veröffentlichung der Schrift "Sicherheit für und vor Deutschland".

    Verleihung des Ehrentitels "Professor des Hamburger Senats".

  • 1991

    Juni: Bahr schlägt die Gründung eines "Deutschen Friedenskorps" vor, dessen Dienst dem Wehrdienst gleichgestellt sein soll.

    August: Er fordert einen Wirtschaftsboykott des auseinanderfallenden Staates Jugoslawiens.

  • 1992

    Bahr befürwortet Kampfeinsätze der Bundeswehr im internationalen Rahmen unter UNO-Kommando.

  • 1993

    Bahr tritt für die Osterweiterung der Europäischen Gemeinschaft ein.

  • 1996

    Veröffentlichung seiner Memoiren unter dem Titel "Zu meiner Zeit".

  • 1997

    Gemeinsam mit Günter Grass ruft Bahr in Berlin den "Willy-Brandt-Kreis" ins Leben. Der Verein setzt sich auf Grundlage der Ideen Willy Brandts für die friedliche Koexistenz der Völker und eine solidarische Gemeinschaft in der Bundesrepublik ein.

  • 1998

    Veröffentlichung der Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik "Deutsche Interessen".

  • 2002

    Ehrenbürger der Stadt Berlin.

  • 2003

    Erscheinen des Essays "Der deutsche Weg - selbstverständlich und normal". Darin fordert er ein stärkeres deutsches Selbstbewusstsein und die Selbstbehauptung Europas gegenüber den Vereinigten Staaten.

  • 2004

    Bahr rät der SPD, in den neuen Bundesländern stärker auf die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) zuzugehen.

  • 2011

    Bahr heiratet seine langjährige Lebensgefährtin Prof. Adelheid Bonnemann-Böhner.

  • 2015

    19. August: Egon Bahr stirbt im Alter von 93 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.

 

(iz) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 14.03.2022
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Zündorf, Irmgard: Biografie Egon Bahr, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/biografie/egon-bahr.html
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