Bereits Anfang der 1960er Jahre versucht Außenminister Gerhard Schröder (CDU) unter Umgehung Moskaus und Ausklammerung der DDR die übrigen Ostblockstaaten anzusprechen. Nach kleineren Fortschritten in den Jahren 1963/64 scheitert Schröders Politik jedoch am Widerstand der UdSSR. Verbesserungen für die Menschen im geteilten Deutschland werden seitens des West-Berliner Senats im Dezember 1963 mit dem Passierscheinabkommen erzielt. Erstmals seit dem Mauerbau dürfen West-Berliner wieder ihre Verwandten im Osten besuchen. Neue Akzente in der Ostpolitik versucht auch die Große Koalition zu setzen. 1967/68 wird die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Jugoslawien und Rumänien vereinbart. Weil aber die Große Koalition am Alleinvertretungsanspruch festhält, bleiben ihr weitere Erfolge versagt.
Die Absicht, der Westintegration nun endlich auch Fortschritte im Osten folgen zu lassen, bildet die Grundlage der sozial-liberalen Koalition. Bundeskanzler Willy Brandt und Außenminister Walter Scheel wollen die Bonner Außenpolitik an die internationale Entspannung anpassen sowie die zwischen beiden deutschen Staaten entstandenen Brüche abbauen. Deshalb geben sie gemäß dem von Brandts deutschlandpolitischem Berater Egon Bahr bereits 1963 entwickelten Konzept "Wandel durch Annäherung" den Alleinvertretungsanspruch auf und erkennen die Existenz der DDR an. Daraufhin finden in Erfurt und Kassel 1970 erstmals innerdeutsche Gipfeltreffen statt.
Bereits kurz nach dem Amtsantritt der Regierung Brandt nehmen Egon Bahr, nunmehr Staatssekretär im Bundeskanzleramt, und der sowjetische Außenminister, Andrej Gromyko (1909-1989), erste Sondierungsgespräche über ein Gewaltverzichtsabkommen auf. Die im August bzw. Dezember 1970 unterzeichneten Verträge von Moskau und Warschau treffen auf den heftigen Widerstand der CDU/CSU-Opposition im Bundestag. Aufgrund der sehr knappen Mehrheitsverhältnisse versucht die Union, die Regierung Brandt/Scheel noch vor der Abstimmung über die Ostverträge durch ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen. Obwohl dieser Versuch unter letztlich nicht ganz geklärten Umständen scheitert, hat nun auch die sozial-liberale Koalition ihre Mehrheit verloren. Es kommt deshalb zu vorgezogenen Neuwahlen. Aus der Bundestagswahl am 19. November 1972 gehen SPD und FDP gestärkt hervor.
Nachdem Bonn in den Verträgen von Moskau und Warschau den Status quo in Europa akzeptiert hat, muss die UdSSR in dem Viermächte-Abkommen über Berlin die Lage in und um die geteilte Stadt anerkennen. Das im September 1971 unterzeichnete Abkommen bildet auch den Rahmen für die weiteren deutsch-deutschen Verhandlungen. Mit dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 nehmen die Bundesrepublik Deutschland und die DDR offizielle Beziehungen zueinander auf. Die Bundesrepublik umgeht jedoch die völkerrechtliche Anerkennung des SED-Staates. Obwohl damit eine völlige Normalisierung des deutsch-deutschen Verhältnisses nicht gelingt, werden die Beziehungen doch zunehmend unverkrampfter. Den Abschluss der "neuen Ostpolitik" bildet der Prager Vertrag vom 11. Dezember 1973.
(ag) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.05.2003
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas: Neue Ostpolitk, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/neue-ostpolitik.html
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