Anfang der 1990er Jahren steigt die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland drastisch an. Alleine 1992 stellen 438.000 Menschen einen Antrag. Politik und Öffentlichkeit diskutieren kontrovers, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. Zeitgleich kommt es zu gewalttätigen Übergriffen auf Migranten. 1993 verabschiedet der Deutsche Bundestag eine Grundgesetzänderung, die das Asylrecht einschränkt. Die rot-grüne Koalition leitet ab 1998 Reformen ein, um Einwanderung, Aufenthalt und Integration neu zu regeln.
Asylkompromiss
Artikel 16 des Grundgesetzes sichert politisch Verfolgten Asyl zu. Der Parlamentarische Rat zieht 1949 damit eine Lehre aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus. Nach internen Debatten befürwortet die SPD den Plan der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl, das Asylrecht zu verschärfen. Der Ende Mai 1993 vom Bundestag verabschiedete Asylkompromiss verweigert Menschen das Recht, einen Asylantrag zu stellen, wenn sie aus einem als sicher geltenden Land einreisen. Auch gleichen die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ihre Asylpolitik rechtlich an. Die Zahl der Asylanträge sinkt daraufhin bis 2005 erheblich.
Kritik
Kirchliche Gruppen und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Grundgesetzänderung. Welche Herkunftsländer als "sicher" gelten, ist mitunter strittig. Durch die Drittstaatenklausel, so die Kritiker, wälze die Bundesrepublik die Verantwortung auf europäische Nachbarstaaten ab. "Drittstaaten" sind Länder, aus denen Asylbewerber einzureisen versuchen, aus denen sie aber nicht stammen.
Rot-grüne Reformen
Die öffentliche Debatte über Einwanderer nach Deutschland bleibt in den 1990er Jahren hitzig. Die Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will mit einem Reformpaket Zuwanderung neu regeln und die Integration von Ausländern verbessern. Sie reformiert unter anderem 2000 das Staatsbürgerschaftsrecht, ein Zuwanderungsgesetz vereinfacht seit 2004 die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Sprach- und Integrationskurse werden für Zuwanderer verpflichtend.
(mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 08.03.2023
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Würz, Markus: Einwanderungsland Deutschland, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/deutsche-einheit/baustelle-deutsche-einheit/einwanderungsland-deutschland.html
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