Im Städtebau vollzieht sich in den 60er Jahren ein folgenschwerer Wandel. Kaufhäuser, Banken und Behörden beherrschen zunehmend die Innenstädte. Wohnen und Freizeitaktivitäten verlagern sich in die Randbereiche, der Autoverkehr nimmt zu. Die neuen Trabantenstädte geraten vielfach zu Betonburgen, deren Bewohner über Anonymität und soziale Kälte klagen. Sozialwissenschaftler fordern eine bessere Verbindung der Lebensbereiche Wohnen, Arbeiten und Freizeit sowie eine Belebung der Innenstädte. Architekten entwickeln alternative Stadtmodelle. Gesetze schaffen die Voraussetzungen für eine neue Städtebaupolitik.

Mit dem Raumordnungsgesetz von 1965 reagiert der Bund erstmals auf die unterschiedlichen Siedlungsstrukturen in Ballungs- und ländlichen Räumen und auf die wachsenden Umweltprobleme. Im gesamten Bundesgebiet sollen unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lebensverhältnisse sowie gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Zugleich wächst die Kritik am Städtebau der Nachkriegszeit. In einem vielbeachteten Buch kritisiert der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich "die Unwirtlichkeit der Städte" und die Zerstörung gewachsener Strukturen. Die alternativen Wohnmodelle der Architekten und Städtebauer stellen jedoch die Stadtrandsiedlung nicht grundsätzlich in Frage.

Infolge der zunehmenden öffentlichen Diskussion über die Landzerstörung entwickeln Bund und Länder seit Beginn der 70er Jahre vielfältige Initiativen zur "Rettung der Städte" und zum Abbau des Stadt-Land-Gefälles. Verstärkte Planung, Forschung und staatliche Finanzierungsmittel sollen zur Lösung der entstandenen Probleme beitragen. Mit dem Städtebauförderungsgesetz von 1971 unterstützt der Bund durch die Erweiterung ihrer planungs- und bodenrechtlichen Kompetenzen die Kommunen bei Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, z.B. im Altbaubereich, und gewährt Finanzhilfen zur "Verbesserung der Lebensbedingungen".

(ahw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 05.05.2003
Text: CC BY NC SA 4.0

Empfohlene Zitierweise:
Hinz-Wessels, Annette: Stadtentwicklung, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/bundesrepublik-im-wandel/stadtentwicklung.html
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