Der 1949 gegründete Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien, zentrale volkswirtschaftliche Lenkung und Demokratisierung der Wirtschaft. Er hat damit andere politische Vorstellungen als Bundesregierung und Parlamentsmehrheit. Er kommt daher rasch zum Konflikt, als Erstes über die Frage der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer. Unumstritten hingegen ist die Wiederherstellung der Tarifautonomie.
Mitbestimmungsregeln
Die Gewerkschaften fordern, dass Vertreter von Arbeitern und Unternehmern in gleichgroßer Zahl in den Aufsichtsräten sitzen (Paritätsprinzip). Zudem soll ein Arbeitsdirektor die Arbeitnehmer im Unternehmensvorstand vertreten. Diese Regelung war in der Montanindustrie in der britischen Besatzungszone angewandt worden. Notfalls will der DGB seine Forderung mit einem Generalstreik durchsetzen.
Um die Unterstützung des DGB für den Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zu erreichen, verhandelt Bundeskanzler Konrad Adenauer zusammen mit dem DGB-Vorsitzendenden Hans Böckler einen Kompromiss: Für die Montanindustrie wird die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer per Gesetz übernommen. Eine Ausweitung auf andere Wirtschaftsbereiche lehnen Arbeitgeber und Bundesregierung allerdings ab. Gegen den heftigen Protest der Gewerkschaften verabschiedet der Bundestag dann am 19. Juli 1952 das Betriebsverfassungsgesetz. Die Arbeitnehmer erhalten in den Aufsichtsräten der Aktiengesellschaften ein Drittel der Sitze. In wirtschaftlichen Angelegenheiten erhalten die Betriebsräte lediglich Informationsrechte.
Tarifverhandlungen und Streiks
Nahezu unumstritten zwischen Gewerkschaften und Regierung ist die Tarifautonomie. Der Staat zieht sich wieder weitgehend aus der Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zurück, die zwischen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden.
Die Arbeitnehmer profitieren nun auch vom Aufschwung der Wirtschaft: 1958 erkämpft die IG-Metall 6 Prozent mehr Lohn und Gehalt, 1960 sogar 8,5 Prozent. Gleichzeitig sinkt die Wochenarbeitszeit zwischen 1955 und 1961 von 49,8 auf 46,2 Stunden, die Urlaubsdauer wird auf durchschnittlich 15 Werktage im Jahr verlängert. Mit einem 16-wöchigen Streik erreichen die Arbeiter 1957 deutliche Verbesserungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
(ahw, mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 19.01.2017
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Hinz-Wessels, Annette/Würz, Markus: Mitbestimmung und Tarifautonomie, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/wirtschaft-und-gesellschaft-im-westen/mitbestimmung-und-tarifautonomie.html
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