Die Frage der Wiederbewaffnung löst in der Bundesrepublik eine gesellschaftliche Auseinandersetzung aus. Viele lehnen sie ab. Es kommt zu Protesten, Manifesten und hitzigen politischen Debatten zwischen Regierung und Opposition. Auch nach der Gründung der Bundeswehr geht der Streit weiter, besonders wegen der Absicht der Bundesregierung, die Bundeswehr mit Trägerwaffen auszurüsten, die auch atomare Sprengköpfe tragen können.
Paulskirchenbewegung
Aus Protest gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer angestrebte Wiederbewaffnung tritt Innenminister Gustav Heinemann im Oktober 1950 zurück. Er gehört zur außerparlamentarischen Paulskirchenbewegung. Diese verabschiedet am 29. Januar 1955 in Frankfurt das "Deutsche Manifest" gegen die Pariser Verträge. Die Regierung hält an der Wiederbewaffnung fest und verspricht Sicherheit vor kommunistischer Bedrohung. Damit trifft sie auch die Wünsche der Bevölkerungsmehrheit.
Atombewaffnung
Der Bundestagswahlkampf 1957 ist geprägt vom Streit um die Atombewaffnung: Die Bundesregierung will sich an der atomaren Bewaffnung der NATO beteiligen. Nach dem Willen von Verteidigungsminister Strauß soll die Bundeswehr Trägersysteme für amerikanische Nuklearsprengköpfe erhalten.
Dagegen protestiert eine Gruppe angesehener deutscher Atomphysiker, darunter die Nobelpreisträger Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg. Im "Göttinger Manifest" vom 12. April 1957 fordern sie den Verzicht der Bundesrepublik "auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art". Eine von der SPD, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und pazifistischen Gruppen im März 1958 angeregte Kampagne "Kampf dem Atomtod" führt in den darauffolgenden Wochen zu großen Demonstrationen. Eine der Leitfiguren des Protestes ist der Evangelische Kirchentagspräsident Martin Niemöller.
Auch im Bundestag kommt es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Ende März 1958 beschließt der Bundestag, die Bundeswehr mit Trägersystemen für Nuklearwaffen auszurüsten.
(ag, mw) © Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Stand: 11.01.2017
Text: CC BY NC SA 4.0
Empfohlene Zitierweise:
Grau, Andreas/Würz, Markus: Streit um die Wiederbewaffnung, in: Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
URL: http://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/weg-nach-westen/streit-um-die-wiederbewaffnung.html
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